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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ihnen 3 Rubel pro Woche mehr. Ihr Geschick, erschütterte Verwandte zu trösten, ist genial!« Oblomow rang die Hände und fühlte, wie ihn ein Schwächeanfall überkam. »Sie können mich jetzt nicht allein lassen.«
    »Die Fleischversorgung hat Vorrang. Ich bin Parteigenosse, Ippolit Lukanowitsch, Patriot, der seine ganze Kraft dort einsetzen will, wo sie dem Vaterland am besten nützt. Ich habe nicht leichtfertig gehandelt, o nein … ich war beim Genossen Parteisekretär und habe mich erkundigt. Und was sagte er zu mir? ›Mein lieber Godunow … Ihr Arbeitseinsatz ist vortrefflich. Aber wichtiger als Heiraten ist Fressen! Ich setze Sie in der Schlachterei des Lagers ein. Da ist die vorderste Front des Sozialkampfes.‹«
    Oblomow setzte sich schwer, vergrub das Gesicht in beide Hände und rührte sich auch nicht, als Marko das Zimmer verließ. Später aber schickte er einen Boten zu dem darmerkrankten Wassja mit dem Befehl, den Grad des Durchfalls genau zu registrieren. Der Bote traf Wassja auf dem Eimer sitzend an, bleich und eingefallen, mit hohlen Augen und blauen Lippen.
    »Ich fließe aus«, jammerte Wassja. »Mir ist's ein Rätsel, woher das alles kommt. Ich muß doch leer sein wie eine ausgeblasene Flasche?! Arbeiten? Ausgeschlossen!«
    *
    Zwei Tage arbeitete Marko als Fleischzerkleinerer an den langen Holztischen. Es war eine verfluchte Arbeit, schwer, schweißtreibend und blutig. In der Halle nebenan wurden die Rinder und Schweine geschlachtet, ihr Gebrüll und Gequieke und ihre Todesschreie gellten in seinen Ohren. Das war etwas, an das sich Marko gewöhnen mußte … Fleisch zerschneiden, ob von toten Ochsen oder toten Menschen, war ihm geläufig, nur lagen in der Anatomie die Körper still und bleich vor ihm und wurden nicht auf seinen Tisch geschoben, warm und dampfend von Blut, blitzende Haken durch die Fußsehnen, mit denen sie dann als Viertelstück an einer Laufkatze weitertransportiert wurden.
    Jewronek, der Natschalnik, blickte an diesem Tag ein paarmal in den Verarbeitungsraum, winkte seinen Vertrauten Jewsej in eine dunkle Ecke und fragte leise: »Na, was macht er? Was sagt er? Fragt er euch aus?«
    Jewsej schüttelte den Kopf. »Er zerteilt, weiter nichts. Er spricht keinen Ton. Als ob er keinen Mund hätte –«
    »Ein ganz Gefährlicher, mein Lieber. Augen wie ein Wiesel. Behandelt ihn anständig, sag' ich euch –«
    So kam es, daß Marko von niemandem beobachtet oder belästigt wurde. Er zerkleinerte das Fleisch, sägte Knochen, schob Jewronek, der ihn leutselig mit einem nichtigen Gespräch belästigte, ein herrliches Bratenstück zu, was dieser nur zögernd annahm, denn Bestechung ist Sabotage am Volksvermögen, und man weiß nie, wie die Gauner von Spitzel das nachher hindrehen, und er beobachtete auch, daß die Schlachterei jeden Tag einen Transport mit Frischfleisch und Wurst zum Frauenlager zusammenstellte.
    Das war wichtig, Jewronek bestimmte jeden Tag andere Fleischer, selbstverständlich nur Kriminelle, und sagte mit Augenzwinkern: »Wenn man schon nicht anpacken darf … der Blick auf eine richtige weibliche Brust kann wie ein Festtag sein …«
    »Läßt es sich möglich machen«, fragte Marko schon am zweiten Tag, »daß ich einen Transport ins andere Lager begleite?«
    Jewronek verstand sofort. Er grinste nicht, sondern wurde bleich. Solche Transporte waren auch immer die besten Gelegenheiten, heimliche Geschäfte abzuwickeln. Außerhalb der Lager, gewissermaßen im Niemandsland, trafen dann die guten Freunde Jewroneks zusammen, übernahmen das Fleisch, das im Schlachtbericht als Schwund aufgeführt wurde und ließen die Rubel in schwielige Hände rollen.
    Er weiß es, durchfuhr es Jewronek heiß. Himmel, er will mich auf die höfliche Art ins Verderben stürzen. Läßt es sich möglich machen … welch eine Rede! Man muß es möglich machen. Freunde, eine Warnung! Geht dieser Mißgeburt von Zwerg bloß aus dem Weg!
    »Morgen nachmittag liefern wir wieder. Blutwurst, Fleisch und Suppenknochen. Zwei Lastwagen. Wenn Sie den Konvoi begleiten wollen, Genosse Godunow …«
    »Sehr gern.« Marko wetzte sein langes Zerteilmesser. An einem Haken der Laufkatze schwebte ein halbes Rind über seinen Tisch. »Aus dem Weg, Brüderchen … die Arbeit kennt keine Zeit für unnütze Worte.«
    Der typische ekelhafte Aktivist, dachte Jewronek und trat zur Seite. Er sah zu, wie Marko das halbe Rind zerteilte. Schnell, mit ungemein kräftigen, sicheren Schnitten, anatomisch ein Genuß.

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