Heiß wie der Steppenwind
Hannibalis. Die Sehne Tarentium spezifikum verbindet beide. Wenn die Schnittführung so erfolgt, daß ich den Muskulus transparentus Imperator vorsichtig trenne von dem unter ihm liegenden Muskulus appendarium Caesarum und dabei die Vena peniscellum nicht verletze, bekomme ich ein Stück Braten, wie auf dem Gemälde – erinnern Sie sich, Genossen? – wo Iwan der Schreckliche einen Batzen Fleisch ißt.«
Die Metzger nickten andächtig. Jewronek starrte auf das Bratenstück, das Marko herausgeschnitten hatte. Ein so herrlicher Braten, daß er sich zu Marko hinunterbeugte und flüsterte:
»Wenn Sie's erlauben, Genosse … kein Stück für den Herrn Oberst … das fressen wir selbst –«
Marko nickte würdig, zeigte auf eine Arterie und hinterließ mit seiner letzten Bemerkung offenes Staunen: »Die Arteria subfelicitas hodenensis. Wenn sie verletzt wird, schmeckt das Fleisch bitter. Man sollte sie immer zuerst freipräparieren …«
Jewronek klemmte den Braten unter den Arm und verließ mit Marko den Verarbeitungssaal. Er war erschüttert. Nun geht's richtig los, sagte er sich. Das war nur eine Demonstration seines Könnens. Wenn er jetzt die Bücher kontrolliert – Einkauf und Ausgabe – lege ich mich auf den Tisch und bitte ihn, mich nach allen Regeln der Anatomie auseinanderzunehmen.
Aber die Befürchtung Jewroneks löste sich in maßloses Staunen auf. Marko erzählte ihm noch weitschweifig von Kischinew, vom Leichenkeller der Universität, von seinen geliebten Toten und ihren körperlichen Eigenheiten … Nach allen diesen Erzählungen, bei denen sich sogar beim abgebrühten Jewronek Übelkeit einstellte und er an diesem Tag kein Fleisch mehr sehen konnte, erfuhr er, daß dieser häßliche und im Grunde gefährliche Mensch nichts weiter wollte, als in der Fleischerei angestellt werden.
Jewronek erkannte sofort das Problem. Da setzt man uns eine Laus in den Pelz, und ich soll sie an die richtige Stelle plazieren. Ein Ohr, ein Auge, eine Stimme irgendeiner noch geheimen Überwachung. Genossen der Fleischerei, – die fetten Zeiten sind vorbei. Freßt euch noch einmal richtig dick und rund … ab morgen sitzt euch ein Auge im Nacken.
»Wie sollen wir das motivieren?« fragte Jewronek vorsichtig.
»Stellen Sie mich als Hilfsarbeiter ein.«
»Aber Genosse, bei Ihren Kenntnissen –«
»Ich werde auf die anderen befruchtend wirken.«
»Ohne Zweifel, oh, wer wollte das bezweifeln! Wir werden die beste Fleischerei im ganzen Norden sein.« Jewronek setzte sich auf sein Bett. »Wollen Sie das Zimmer mit mir teilen?«
»Ich bitte Sie! Nehmen Sie jeden Hilfsarbeiter zu sich ins Bett?«
Der Gedanke war so grausam, daß Jewronek wild mit dem Kopf schüttelte.
»Ich habe nur Platz in einem kleinen Geräteraum hinter dem Knochenlager. Aber das ist nicht zumutbar.«
»Alles ist zumutbar, wenn der Mensch es erträgt. Gut, ich schlafe dort.«
»Und die Bezahlung? Wer regelt die?«
»Ich arbeite ohne Lohn. Nur Essen und Trinken und dieses Bett im Knochenraum. Einfacher geht es nicht.«
»Das ist der Gipfelpunkt der Rationalisierung.« Jewronek war jetzt überzeugt: Er ist ein Spitzel. Wer arbeitet schon ohne Lohn? Natürlich braucht er keinen Lohn … er bekommt ja genug Rubel als Beamter. Nur daß er damit Jewronek zum Komplizen machte, empfand dieser als höllische Gemeinheit. »Wenn Sie es wünschen, geschieht alles so, wie Sie geplant haben. Bedenken Sie aber, Genosse Godunow: Wo Sie schlafen, lagern einige Tonnen Knochen. Sie stinken …«
»Es stinkt so vieles auf der Welt«, sagte Marko weise und winkte ab, »daß der Gestank von Knochen fast legitim in unserer Gesellschaft ist.«
Jewronek verstand das nicht … die Grenze seiner Intelligenz war überschritten. Aber er lächelte breit, sagte: »Ein wahres Wort, Genosse« und war froh, daß der häßliche Zwerg nicht fragte: »Wie sehen denn die Bücher aus, Brüderchen …«
*
Jewronek hatte nicht übertrieben … das Knochenlager stank schauerlich. Jewronek hielt sich die Nase zu und schielte hinunter zu Marko.
»Das Zimmer liegt dahinter, Genosse.«
»Hygienisch ist es wirklich nicht.«
»Tun Sie was dagegen! Nur jeden zweiten Monat holt man die Abfälle ab. Eine Leimfabrik in Workuta. Wir könnten die Knochen vergraben, aber nein … sie müssen gelagert werden, bis die Leimkerle erscheinen. Jeden Monat einmal könnt ihr kommen, habe ich sie angeschrien, aber sie sagen: Sollen die Wagen zum Teufel gehen? Wenn wir einen Monat gefahren sind,
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