Heiß wie der Steppenwind
müssen wir sie den anderen Monat reparieren. – So ist das hier. Das soll keine Kritik sein, mißverstehen Sie mich nicht, Genosse, – aber Sie sehen ja die Auswirkungen.«
»Die Planwirtschaft hinkt noch wie ein alter Bock, wir wissen es.« Marko überwand seinen Ekel, der selbst ihn, den nichts erschüttern konnte, in der Kehle würgte, er ging zu seiner Kammer, trat eine Armee von Maden platt und war erstaunt, daß der kleine Raum sauber war. Hacken, Beile, Sägen, Messer, Wannen hingen an Haken an der Wand, blitzend sauber, wie gestern gekauft.
»Bravo, Genosse«, sagte Marko und tippte den Riesen gegen den Bauch. »Das Werkzeug ist gepflegt. Ich freue mich.«
Glücklich verließ Jewronek den Knochenraum. Er glaubte, den unbekannten Genossen auf seiner Seite zu haben. Eigenhändig brachte er Marko Decken und zwei Kopfkissen mit Wattefüllung, eine Öllampe, einen Stuhl, einen Tisch, einen Spiegel, einen kleinen Eisenofen und fette Steinkohle. Er lief unermüdlich hin und her, bis der kleine Raum wohnlich war. Nur den Gestank konnte er nicht beseitigen.
Dann war Marko endlich allein. Er saß auf dem Eisenbett, der Ofen bullerte, es wurde warm im Zimmer, aber mit der Wärme zog auch der Gestank penetranter durch alle Ritzen.
Er stützte den dicken Kopf in beide Hände und starrte auf die Tür, hinter der sich die Knochenberge türmten. Gibt es einen elenderen Ort als diesen? Aber es störte ihn nicht. Er war im Lager … er war bei Igor … er hatte die Möglichkeit, ihn wieder zu beschützen … Wer fragt danach und wer weiß es, wie ein Schutzengel auszusehen hat?
D REISSIGSTES K APITEL
Der Leiter des Heiratspalastes von Workuta, der Genosse Oblomow, war verzweifelt. Seit drei Stunden mußte er alles allein machen … die Hochzeitspaare empfangen, die Blumen arrangieren, (auch wenn es künstliche Blumen waren, die im Besitz des Staates blieben, mußte jedes Brautpaar das Bewußtsein haben, für es allein sei dieser Blumenschmuck über Hunderte Kilometer herangeschafft worden), er mußte die Musik auswählen, die Mütter mit Gratulationen überhäufen, die Tanten trösten, den Vätern zublinzeln und flüstern: »Freundchen, warum hast du deinen Sohn nicht gewarnt?« Allein nur der Standesbeamte Tschulunai, ein nach Workuta verschlagener Ewenke, überschlug sich nicht, thronte hinter dem breiten Schreibtisch und leierte die Trauungsformel herunter wie ein altes Grammophon. Er war für den feierlichen Akt angestellt … das Drumherum war Sache anderer Beamten. Und da Marko an diesem Morgen nicht gekommen war, sein Vorgänger sich noch immer mit seiner verfluchten Darmgrippe herumschlug, rannte Oblomow mit fliegenden Rockschößen herum und schwitzte wie ein Ringer, obgleich draußen ein neuer Schneesturm tobte und an den Fenstern riß. Erst mittags erschien Marko im Heiratspalast. Oblomow saß in seinem Sessel, trank und beklagte sein hartes Schicksal. Als er Marko sah, sprang er auf wie nach einem Stich.
»Godunow!« schrie er hell. »Marko Borissowitsch, Sie sind da! Welch ein Glück. Ich befürchtete schon, Sie hätten auch den Darm aus der Hose hängen!« Er rannte um den Tisch herum, drückte Marko an sich, gab ihm zwei Küsse und keuchte ergriffen. »War das ein Vormittag! Sieben Paare! Warum sind alle so wild auf das Heiraten?! Was bringt so ein Schritt mit sich? Keine Ruhe hat man mehr, ein keifendes Weib ist immer um einen, der Rubel ist nur noch die Hälfte wert, man muß sich in eine dunkle Ecke verkriechen, um ungestört seinen Wodka zu trinken, und Ansprüche stellen die Weiberchen, Ansprüche! Sehen Sie mich an, Marko Borissowitsch, – ich bin unverheiratet, leide an keinem hohen Blutdruck, trage mein Gehalt voll in der Tasche und werde hundert Jahre alt werden. Aber nein, nein … die jungen Kerle drängen zum Heiraten wie die Hammel zum Schlachthof. Mein lieber Marko, wie froh bin ich, daß Sie wieder da sind.«
Marko betrachtete ihn traurig, ergriff seine Hand, drückte sie und sagte feierlich: »Mein lieber Ippolit Lukanowitsch … mir bricht's das Herz, aber ich verlasse Sie.«
»Nein!« Oblomow schwankte und lehnte sich an die Tischkante. »Marko, Sie zerstören mich …«
»Ich habe eine andere gute Stellung.«
»Sie zerstören die Ordnung des Staates! Sabotieren Sie nicht die kleinste Zelle unseres Gemeinwesens: Die Familie.«
»Ich arbeite ab heute in einer Großschlachterei. Die Sicherstellung der Ernährung ist eine noch wichtigere Sozialaufgabe.«
»Marko, – ich gebe
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