Heiß wie der Steppenwind
Wölfchen«, hatte die Dussowa geantwortet. »Du sollst hier alles haben … auch mich.«
»Ein zweiter OP ist notwendiger.«
Die Dussowa hatte darauf mit den schönen Zähnen geknirscht, aber zwei Tage später stand Zimmer 4 für alle Eiterfälle zur Verfügung.
Die vier Fleischer setzten Marko ab, ein Krankenwärter riß den Hundefellmantel weg, entdeckte darunter ein Gebilde, das wie ein Insekt mit Menschengesicht aussah, erschrak zutiefst und rannte hinaus. So lag Marko allein und ziemlich ungemütlich auf seinem Brett, grinste vor sich hin und wartete. Er wird kein Wort herausbringen vor Staunen, mein Igorenka, dachte er. Nun sind wir wieder zusammen.
Pjetkin kam ins Zimmer. Von unten her gesehen, wo Marko lag, riesengroß, ein Turm in Weiß.
»Wo ist die Blutvergiftung!« rief er an der Tür, dann erkannte er Marko, die Worte brachen ab, als hacke sie jemand durch, mit einem Tritt schloß er die Tür, stürzte zu Marko, der von seinem Brett hüpfte wie ein Frosch und die Arme ausbreitete, und dann lagen sie sich in den Armen, drückten sich aneinander und schwiegen erst einmal eine Weile voller Erschütterung.
»Du verdammter Kerl«, sagte Pjetkin und hob Marko auf den OP-Tisch. Dem Zwerg liefen die Tränen über die Wangen, er saß da, blickte unter dem wäßrigen Vorhang seinen Igorenka an und versuchte zu lächeln. »Du verfluchter, verdammter Kerl … wo kommst du her? Warum liefert man dich zu mir ein? Und die Blutvergiftung?«
Marko hielt seinen Daumen hoch. Ein Schnitt, der sich schon wieder mit einer Blutkruste schloß. »Ich bin wieder bei dir«, sagte er mit schwankender Stimme. »Ich habe es erreicht. Ich arbeite im Lager als Fleischzertrenner. Mein schwerster Weg bisher … selbst die Hühnerfarm in Chelinograd war ein Kinderspiel dagegen … aber ich bin bei dir. Eins kannst du ab jetzt nicht mehr: Verhungern!«
Pjetkin betrachtete den Schnitt im Daumen, holte ein Pflaster aus dem Schrank und klebte es darüber. Als ein Sanitäter die Tür öffnete, fuhr er herum und brüllte: »Hinaus! Für eine halbe Stunde keine Störung!«
»Hast du von Dunja etwas gehört?« fragte Pjetkin. »Ich habe alles versucht … für uns hört diese Welt am Zaun auf. Was dahinter passiert, ist voller Rätsel.«
»Dunja ist Ärztin im Frauenlager. Ich werde sie morgen sehen.«
»Du? Sehen und sprechen?!« Pjetkin starrte an Marko vorbei aus dem Fenster. Schnee wirbelte herum … ein zerrissenes Leichentuch.
»Sprechen … das weiß ich nicht. Aber ich werde sie sehen, und wenn sie mich bemerkt, wird sie wissen, daß du in der Nähe bist.«
»Und wie kommst du ins Lager?«
»Mit zwei Lastwagen Fleisch. So einfach ist das! Ich werde plötzlich Schmerzen in meinem Daumen haben und Dunja wird ihn untersuchen.«
»Eine andere Ärztin könnte dich untersuchen.«
»Dann wird es bei der nächsten Fleischlieferung gelingen.« Marko hüpfte vom OP-Tisch und klopfte die Arme um den dürren Leib. Trotz des Pelzes war die Kälte wie ein Messer in seinen Körper gefahren. »Es werden sich schon genug Möglichkeiten ergeben, je nachdem, wie gut man die Lage ausnutzen kann. Schreibe einen Brief.«
»Wenn sie ihn bei dir finden –«
»Wer soll mich untersuchen, he? Ich bin Fleischer, liefere ihnen etwas zwischen die Zähne, und wenn einer kommt und sagt: ›Bleib stehen, Kanaille. Heb die Arme hoch und laß dich abtasten!‹, dem werde ich antworten: ›Mach nur zu, Teufelchen. Aber dein Gesicht, deine platte Visage, werde ich mir merken. Bei der nächsten Lieferung bekommst du Gift in die Wurst! Wirst's erst merken, wenn du unterm Tisch liegst!‹« Marko lächelte breit. »Niemand wird mich anfassen, Igorenka. Schreib ein paar Zeilen –«
Pjetkin nickte. Er suchte Papier und Bleistift, und da beides nicht in einem septischen OP zu finden ist, glättete er zwei Lagen Zellstoff und schrieb mit einem dünnen Spachtel, den er in Jodtinktur tauchte.
Ein Brief an Dunja. Mit Jod geschrieben auf Verbandstoff.
»Mein Liebes. Mein Herz der Welt. Ich lebe. Ich arbeite. Ich hoffe. Ich träume von Dir. Ich küsse Dich in Gedanken. Glaub an ein Überleben … Dein Igoruschka.«
Dann umwickelte Pjetkin die Hand Markos mit dem Zellstoff, legte den Arm in eine Schlinge und war atemlos vor Freude.
»Ein vorzüglicher Trick!« rief Marko. Er schwenkte seinen dick verbundenen Arm und verzog sein Gesicht zu einer erschütternden Leidensmiene. »Ich werde mich wohl in den nächsten Monaten in dauernder ärztlicher Behandlung
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