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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Armen neues Brennholz. Als er Burmin sah, wußte er, daß mit der Eroberung Berlins der Krieg nicht zu Ende sein würde. Nicht der Privatkrieg um ein Kind, das ihm lieb geworden war wie ein eigener Sohn.
    »Welch eine schöne Maschine, Andren Awdejewitsch!« rief Pjetkin und ließ das Brennholz fallen.
    »Und welch ein schönes Bürschchen!« Burmin grinste und stieg aus dem Sattel. »Wer ist das?«
    »Mein Sohn …«, sagte Pjetkin schlicht.
    »Gott läßt Wunder geschehen, wahrhaftig!« Burmin schob die Mütze in den Nacken. »Regnet Kinderchen vom Himmel, nein so etwas! Und gleich mit einer maßgeschneiderten Uniform.«
    Pjetkin verzichtete darauf, Erklärungen abzugeben. »Fahren Sie weiter«, sagte Pjetkin, und als Burmin stehenblieb und den Jungen unverschämt musterte, schrie er: »Steigen Sie auf, und begeben Sie sich zu Ihrer Kompanie! Das ist ein Befehl, Genosse Leutnant!«
    Burmin verzog das Gesicht, machte eine Kehrtwendung und warf sich auf den Sattel. Mit heulendem Motor fuhr er davon. Pjetkin blickte ihm nach, bis er zwischen den Trümmern verschwunden war. Dann drehte er sich um und setzte sich neben den Suppenkessel.
    »Es wird Ärger geben«, sagte er ahnungsvoll. »Burmin wird überall herumerzählen, daß du bei mir bist, Igoruschka …«
    Hans Kramer, der seit der Eroberung Königsbergs von Kapitän Pjetkin nur noch Igor gerufen wurde, schöpfte mit dem Holzlöffel etwas Suppe in eine Blechschüssel. Der Weg von Ostpreußen bis nach Berlin war eine einzige Kette von Abenteuern gewesen. Die Spezialtruppe Pjetkins – die Straßenkämpfer von Stalingrad – wurden sofort aus Königsberg herausgezogen, als der deutsche Kommandant, General Lasch, kapitulierte. Mit einer langen Autokolonne raste das Bataillon nach Westen, überholte Flüchtlingstrecks, fegte sie rechts und links in die Straßengräben und erreichte Berlin, als der letzte große Sturm auf die Innenstadt begann. In diesen Tagen verwandelte sich der kleine deutsche Junge Hans Kramer in einen russischen Jungen. Pjetkin rief einen Schneider, einen Feldwebel seiner Kompanie, zu sich und sagte mit düsterem Blick:
    »Bogdan Jegorowitsch, ich gebe dir zehn Rubel und übersehe fünfmal, daß du besoffen zum Dienst kommst, wenn du Igor aus einer alten Uniform einen Anzug machst und das Maul hältst. Verstehen wir uns?«
    »Ausgezeichnet, Genosse Kapitän.« Bogdan Jegorowitsch nahm an Hans Kramer Maß, zog einem an seinen Verwundungen gestorbenen sowjetischen Soldaten die Uniform aus und gab dem Sanitäter, der so etwas duldete, zwei Rubel ab.
    Igor erhielt nach vier Tagen einen gutsitzenden Anzug, der nur einen einzigen kleinen Schönheitsfehler hatte: Hinten, unter der linken Schulter, war ein dunkler Blutfleck.
    Für einen anderen Anzug war die Zeit zu knapp. Die Stalingrad-Kämpfer wurden auf Panzern nach Berlin gebracht. Schon am nächsten Tag räucherten sie ein Widerstandsnest der SS aus, eine blutige Sache, bei der auch Bogdan Jegorowitsch sein Leben ließ.
    *
    Leutnant Burmin war sehr aktiv gewesen … Pjetkin erfuhr es, als er durch Funk direkt mit dem General verbunden wurde und in dem schnarrenden, knackenden Sprechgerät die wohlbekannte Stimme Ronowskijs hörte.
    »Anton Wassiljewitsch«, sagte der General. »Ihre Leute waren sehr tapfer. Ich freue mich.«
    »Wir opfern uns ganz dem Vaterland, Genosse General«, antwortete Pjetkin steif.
    »Im Augenblick haben Sie etwas Ruhe, nicht wahr?«
    »Seit vier Stunden. Die Deutschen haben sich verkrochen. Wir sammeln die Verwundeten auf –«
    »Und Kinder …«
    Aha, dachte Pjetkin, jetzt kommt es. Ich habe ihm ein gutes Stichwort hingeworfen. Er kannte Ronowskij von der Militärakademie her; er war Pjetkins Lehrer in Strategie gewesen. Ein guter Mensch, wie ein Vater zu seinen Schülern. Pjetkin hatte er besonders in sein Herz geschlossen.
    »Kinder?« sagte jetzt Kapitän Pjetkin gedehnt. »Natürlich sind Kinder hier, Genosse General. Die Keller sind voll von Zivilisten.«
    »Kommen Sie her!« antwortete General Ronowskij kurz. »Bringen Sie das Knäblein mit.«
    Der Befehlsstand der Division lag im Keller einer Bäckerei. Der Gasbackofen war noch intakt, aber da es kein Gas mehr gab, heizten die Bäcker der Division ihn mit Holz und backten das Brot nach alter Bauernart zwischen glühheißen Steinen. General Ronowskij hauste zwischen den Trögen und Knetmaschinen, hatte über dem Rolltisch seine Landkarten ausgebreitet und die Ecken mit Kuchenformen beschwert. Seine Uniform war

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