Heiß
Spur frei und drängte unbarmherzig all jene ab, die nicht schnell genug reagierten.
Finch warf einen Blick zurück. Zwei Soldaten standen auf den Trittbrettern des zweiten Range Rovers, der gerade Mal zehn Meter Abstand hielt, klammerten sich mit einer Hand an die Dachreling und hielten in der anderen ihre Sturmgewehre. Sie sahen so aus, als würden sie sie im Ernstfall auch benützen.
Nach der Abzweigung auf die Vandemataram Marg und nachdem sie durch die Kreisverkehre geschleudert worden waren, begannen die dicht bebauten Wohngebiete von Delhi. Doch weder die Motorradfahrer noch der Chauffeur des Rovers verlangsamten die Geschwindigkeit.
Sergeant Prakash schien die Fahrt zu genießen und lächelte begeistert. Als sie wegen eines Verkehrsstaus mit mehr als 60 Meilen in der Stunde auf der Gegenspur in Richtung Norden jagten, überlegte sich Finch, was wohl »schicken Sie keine Blumen zu meiner Beerdigung« auf Hindi heißen würde.
Zu dem üblichen indischen Verkehr mit seinen altersschwachen Lastwagen und überfüllten Bussen gesellten sich nun immer mehr Mopedfahrer, Karren und Radfahrer, die kreuz und quer über die Straße schossen und die kleine Kolonne zu einem ständigen Kurswechsel zwangen.
»Gut, dass Sie nicht zur Rushhour gelandet sind«, warf Prakash ein, der sich mit beiden Händen an einem Griff über seinem Kopf festhielt. »Dann steht hier nämlich alles.«
»Warum haben Sie eigentlich keinen Hubschrauber geschickt?«, erkundigte sich Finch, während er versuchte, sich an der Rückbank festzuklammern, um nicht hin und her geworfen zu werden.
»Weil heute Staatspräsidentin Pratibha Patil New Delhi besucht und wir keine Erlaubnis erhalten haben, mit einem Helikopter in die designierten Sicherheitszonen einzufliegen«, antwortete der Sergeant mit einem Ausdruck des Bedauerns.
Mit quietschenden Reifen und unbewegtem Gesicht zwang der Fahrer den Rover in eine enge Kurve, um einem überfüllten Bus auszuweichen. Für einen kurzen Moment erhaschte Finch einen Blick auf die entsetzte Miene und die weit aufgerissenen Augen des Busfahrers. Dann waren sie auch schon vorbei, und der Fahrer beschleunigte den Rover wieder.
»Idiot!«, kommentierte Prakash trocken und überraschend kurz.
Nachdem sie die Yamuna überquert hatten, erstreckte sich vor ihnen eine fast schnurgerade Ausfallstraße in Richtung Osten. Der Sergeant kontrollierte die Zeit und grinste zufrieden. »Drei Minuten schneller als letztes Mal. Wir haben das Schlimmste hinter uns.«
Finch hatte aufgehört, die roten Ampeln zu zählen, die der Konvoi ignorierte und, ohne langsamer zu werden, einfach überfuhr. Die Fahrer der Motorradeskorte stürzten sich jedes Mal todesmutig in den Querverkehr und hatten keinerlei Hemmungen, auch einmal mit den Stiefeln gegen den Kotflügel eines Autos zu treten, dessen Fahrer nicht rasch genug Platz machte.
Als sie nach genau sechsunddreißig Minuten vor der Schranke der Hindon Airforce Base anhielten und der Fahrer Finch im Rückspiegel einen triumphierenden Blick zuwarf, dankte der Pilot seinem Schutzengel und verfluchte in Gedanken Llewellyn besonders inbrünstig. Er hätte doch die erste Maschine zurück nach Kairo nehmen sollen, dachte er. Seine Ration an Glück für heute war zweifellos aufgebraucht. Ab jetzt musste alles wie am Schnürchen klappen, oder es würde im Fiasko enden.
Nach einem kurzen Blick durch das Fenster auf die Insassen des Rovers gab die Wache die Einfahrt frei. Während die Eskorte und die bewaffneten Soldaten salutierend zurückblieben, rollte der Geländewagen durch eine Allee an makellos weiß getünchten Offiziersunterkünften und Verwaltungsgebäuden vorbei.
»Wir brauchen noch rund vier Minuten bis zum Hangar«, klärte ihn Prakash auf. »Hindon Air Force Station, wie die richtige Bezeichnung lautet, wurde erst vor kurzem renoviert, modernisiert und technisch auf den neuesten Stand gebracht. Nach den Terroranschlägen in Mumbai 2008 wurde hier zum Schutz der Hauptstadt eine Staffel Mig 29 stationiert. Die Start- und Landebahn wurde auf 2700 Meter verlängert, die neueste Radartechnologie installiert, und seitdem ist der Flughafen Stützpunkt der indischen Special Forces.« Der Stolz in der Stimme des Sergeants war unüberhörbar.
Finch hörte nur mit halbem Ohr zu. Seine Gedanken waren woanders, auf der anderen Seite der Erde, in einem anderen Jahrhundert. Im Frühjahr 1982 hatte er zwei Monate lang fast jeden Tag am Steuerknüppel eines der modernsten Jagdflugzeuge
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