Heiß
glauben Sie mir, den will keiner haben.«
Der Sikh verzog keine Miene. »In fünfzehn Minuten letzte Einsatzbesprechung und ein Preflight Briefing, dann möchte ich Sie hier raushaben«, sagte er entschieden. Damit stieß er eine Tür mit der Aufschrift »Staff only« auf und verschwand aus dem Hangar.
Villa Rothschild-Kempinksi, Königstein im Taunus/Deutschland
Gregorios Konstantinos hatte den Weißen Salon im Luxushotel Villa Rothschild aus zwei Gründen zum Frühstück gemietet – erstens war er dort sicher, mit seinem Gast völlig ungestört zu sein, und zweitens liebte er den Gedanken, an der Wiege der deutschen Bundesrepublik seinen Kaffee zu genießen.
Als Sommerpalais von Wilhelm Carl von Rothschild 1888 im englischen Landhausstil mit Türmen, Fachwerk und Erkern erbaut, war die Villa nach dem Zweiten Weltkrieg zum »Haus der Länder« geworden und somit zum Schauplatz der entscheidenden Verhandlungen über Grundgesetz und Republikgründung. Ludwig Erhard, Theodor Heuss und Ernst Reuter waren hier ein- und ausgegangen, und hätte Kanzler Adenauer sich nicht für Bonn als Bundeshauptstadt starkgemacht, dann wäre die Wahl auf Frankfurt am Main gefallen und die Villa höchstwahrscheinlich Residenz des Bundespräsidenten geworden. Genau das war es, was Konstantinos immer wieder an der Villa Rothschild faszinierte – die Mischung aus modernem Luxus und Geschichte, aus Tradition und altherrschaftlicher Würde.
Durch die hohen, offenen Glastüren wehte ein warmer Wind aus Süden, vom Main her. »Allein dieser Blick auf Burg Kronberg ist einen Umweg wert«, stellte Konstantinos fest und wies seinen Gast mit einer Handbewegung auf das unglaubliche Panorama hin, das den Gästen des exklusiven Hauses durch die Lage der Villa in einem mehr als hunderttausend Quadratmeter großen Park an den sanften Hängen des Taunus ermöglicht wurde. »Vom Pool können Sie die Skyline von Frankfurt sehen.« Der Grieche lächelte verbindlich und strich etwas Butter auf sein Croissant.
»Ich bade nur im Meer«, bemerkte die alte Dame, die ihm gegenübersaß, spitz, und köpfte mit einem kühnen Schlag ihr Frühstücksei. Martha Siegberth, emeritierte Professorin am renommierten Institut für Zeitgeschichte in München, war zu einem Symposium in Frankfurt eingeladen gewesen und nach ihrem Vortrag, für den sie viel Applaus geerntet hatte, direkt in ihr Hotelzimmer zurückgekehrt. Sie hielt nicht viel von gesellschaftlichen Verpflichtungen, Stehempfängen oder den Selbstbeweihräucherungen im Kreise der eitlen Kollegen. Im Gegenteil. Siegberth lebte seit Jahren völlig zurückgezogen in einer riesigen Wohnung gegenüber dem Münchner Isartor, zwischen Stapeln von Büchern, Kisten voller Zeitschriften, zahllosen Teppichen und ihren drei Katzen. Die Nachricht von Konstantinos hatte sie deshalb umso mehr überrascht, die Einladung zum Frühstück auf einem so geschichtsträchtigen Boden andererseits gereizt. Pünktlich um 7 . 30 Uhr morgens hatte sie ein Wagen vor ihrem Hotel erwartet und nach Königstein gebracht, wo ein bemühter und aufmerksamer Konstantinos sie erwartet und in den weißen Salon geleitet hatte.
»Am liebsten in der Ägäis«, setzte sie hinzu und gestattete sich ein dünnes Lächeln. »Mein verstorbener Mann liebte Griechenland über alles.«
»Es wird mir ein ganz besonderes Vergnügen sein, Sie in diesem Sommer auf meine Jacht einzuladen«, bot Konstantinos an und schenkte Kaffee nach. »Das Schiff liegt derzeit vor Rhodos und steht selbstverständlich zu Ihrer Verfügung. Die Einladung gilt natürlich auch für Ihre Familie.«
Siegberth löffelte unbeeindruckt ihr Ei, und ihr Gastgeber fragte sich, ob sie ihn überhaupt gehört hatte.
»Sie müssen ein großes Problem haben, Herr Konstantinos«, bemerkte die alte Dame schließlich und wischte sich mit der Serviette den Mund ab. »Ich lebe zurückgezogen, bin seit Jahren aus dem täglichen Wissenschaftstrott ausgeschieden und nicht gerade für meine Geselligkeit bekannt. Ich wüsste also nicht, wie ich Ihnen auf dem glatten akademischen Parkett behilflich sein könnte. Mit Ehrendoktoraten, gesponserten Titeln, wie sie im Moment in diesem Land Hochsaison haben, oder mit vorgeschriebenen Dissertationen kann ich leider nicht aufwarten. Nachdem ich mich ein wenig über Sie erkundigt habe, nehme ich auch nicht an, dass es das ist, was Sie von mir erwarten.«
»Sehr scharfsinnig«, nickte Konstantinos und warf der resoluten alten Dame einen anerkennenden Blick
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