Heiß
Gesprächspartner einen misstrauischen Blick zu. Die Limousine rollte an und glitt die Bruchfeldstraße hinunter.
»Alles zu seiner Zeit«, wehrte der Mann lächelnd ab. Er sah aus wie ein erfolgreicher, etablierter Unternehmensberater nach einem Urlaub in der Karibik – seriös, braun gebrannt und bemerkenswert erholt. Sein hellblondes Haar, kurz geschnitten und mit Gel an seinen Platz betoniert, kontrastierte effektvoll mit seiner Bräune. Das Lächeln erreichte allerdings nicht seine grünbraunen Augen, die seine Verbindlichkeit Lügen straften: Sie waren stechend und eiskalt.
Der Anzug muss mindestens drei Monatslöhne gekostet haben, dachte Calis. Drei meiner Monatslöhne, wohlgemerkt. Und die Schuhe dann noch einen …
»Ich kann Ihnen leider keinen Kaffee anbieten zu dieser frühen Stunde, Kommissar, so gut ist der Bentley nicht ausgerüstet. Aber ein Glas Champagner kann sicher auch nicht schaden«, stellte der Mann fest, öffnete die Bar des Wagens und zog eine gut gekühlte Flasche Dom Perignon hervor. »Meine Lieblingsmarke. Ich hoffe, Sie teilen meinen Geschmack.«
Der richtige Typ für Alice, ging es Thomas Calis durch den Kopf. Überbegriff reicher Kotzbrocken, Unterkategorie geschniegelter Angeber. Laut sagte er: »Ich teile im Moment mit Ihnen die Rückbank dieses …«
»… Bentley Mulsanne …«
»… wie auch immer. Und dabei wird es bleiben. Champagner am frühen Morgen war noch nie mein Ding. Und jetzt kommen wir zum Anlass dieser seltsamen Stadtrundfahrt. Ihr Chauffeur sagte, nachdem er mich aus dem Schlaf getrommelt hatte, Sie hätten Informationen für mich«, Calis blickte aus dem Fenster, vor dem sich die Skyline von Mainhattan dramatisch gegen den dunkelgrauen Nachthimmel abzeichnete.
Der Blondschopf zuckte gleichmütig mit den Schultern, öffnete die Flasche und goss sich ein Glas ein. »Wie Sie wollen, Ihre Entscheidung, Kommissar. Sie recherchieren einen Mordfall in Berlin, habe ich gehört? Was treibt Sie dann nach Frankfurt?«
»Wie kommt es, dass Sie so gut informiert sind?«, gab Calis zurück.
»Schon mal was von Netzwerken gehört, Kommissar Calis? Und wir können uns selbstverständlich die nächste Stunde lang Fragen stellen, und keiner liefert die Antworten«, meinte Blondschopf spöttisch. »Ich habe jede Menge Zeit, Sie nicht …«
»Sie kennen meinen Namen, ich Ihren nicht«, stellte Calis fest, »und das würde ich als Erstes gerne ändern. Also? Mit wem teile ich die Sitzbank?«
»Tut nichts zur Sache«, winkte sein Nachbar ab. »Ich glaube nicht, dass es zum gegebenen Zeitpunkt etwas ändern würde.«
»Könnte es sein, dass es mich zum gegebenen Zeitpunkt einen Scheißdreck interessiert, was Sie für opportun halten?« Calis spürte Zorn in sich hochsteigen. »Ich brauche nur die Autonummer des Bentleys durch den Polizeicomputer zu jagen und habe die Antwort in drei Sekunden.«
»Haben Sie nicht.« Die Feststellung war kategorisch und selbstsicher und brachte Calis aus dem Konzept. »Der Wagen ist auf einen Trust auf den Cayman Islands zugelassen, der eine Niederlassung in Frankfurt hat. Völlig legal. Also – kein Name.«
»Ich könnte Sie festnehmen lassen, und dann müssten Sie sich ausweisen«, wandte Calis ein.
»Und weshalb wollten Sie mich festnehmen?«, erkundigte sich Blondschopf neugierig. »Wegen des Trinkens von Champagner während der Fahrt?« Er lachte aus vollem Hals. »Meine Anwälte hätten nicht nur einen wahren Feiertag, sondern würden bei dieser Gelegenheit gleich eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Sie loslassen, und ich müsste meinen alten Freund, den Innensenator, um Hilfe bitten. Ihr Einsatz in Frankfurt wäre morgen zu Ende, Ihr Ruf angekratzt, Sie würden im Innendienst verrotten, und niemandem wäre geholfen.«
Thomas Calis überlegte, dem Kerl einfach die Nase einzuschlagen. Aber auch damit wäre niemandem geholfen, außer seinem Ego vielleicht.
»Es gibt jedes Jahr unzählige nicht aufgeklärte Morde«, dozierte Blondschopf, nachdem er sein Sektglas geleert hatte. »Sogar berühmte Persönlichkeiten sind da keine Ausnahme. Denken Sie an Uwe Barschel, den schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme oder Diane Fossey, die ihr Leben den Gorillas widmete und mit einer Machete zerstückelt wurde. Die Täter wurden nie gefunden. Und es gäbe noch Hunderte solcher Beispiele, aber das brauche ich Ihnen nicht zu sagen.«
Der Bentley rollte am Main entlang nordwärts, und die Lichter der Stadt spiegelten sich im Wasser.
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