Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
Vom Netzwerk:
stand auch schon Andrew Morgan im Zimmer, der aussah wie ein begossener Pudel.
    »Guten Morgen, Sir! Draußen regnet es in Strömen«, sagte er entschuldigend und schüttelte sich, dass die Wassertropfen nur so spritzten. »Meine Schuhe sind überflutet und der Mantel reif für die Mangel.«
    »Lassen Sie mich raten – Sie haben Ihren Regenschirm vergessen.« Majors wies auf die Pfütze, die sich um Morgans Füße bildete. »Wenn das die Schwester sieht, lässt sie Sie strafexerzieren und über den Vorplatz robben, bevor Sie einen Schützengraben ausheben dürfen.«
    »Wie geht es ihm?«, fragte Morgan, während er seinen Mantel über eine Stuhllehne drapierte.
    »Nicht gut, meinen die Ärzte, und ausnahmsweise glaube ich ihnen«, antwortete Majors und suchte nach seiner Zigarettenpackung. »Wir werden heute hier verschwinden, Großhirn. Er wird nicht mehr aufwachen, ganz im Gegenteil. Die Spezialisten sind einhellig einer Meinung, was selten genug der Fall ist: Sie geben ihm noch vierundzwanzig Stunden, maximal.«
    »Also keine Fragen, keine Antworten«, fasste Morgan zusammen. »Aber war das nicht zu erwarten, nach den schweren Schädigungen des Gehirns?«
    »Glauben Sie nie bedingungslos an das, was Mediziner sagen«, erwiderte Majors, zündete sich eine Chesterfield an und inhalierte tief. »Das sind auch nur Mechaniker, manche mit mehr und die meisten mit weniger Talent. Und wenn sie etwas nicht erklären können, dann war es ein medizinisches Wunder.«
    Morgan lächelte in sich hinein und fuhr sich mit der Hand durch seine nassen Haare. Dann trat er ans Bett und betrachtete Shaw nachdenklich. »Wenn er stirbt, dann nimmt er viele seiner Geheimnisse mit ins Grab«, sagte er, warf einen Blick auf die Fieberkurve, die eine Schwester aufgezeichnet und ans Fußende des Bettes gehängt hatte und zuckte die Schultern. »Er hat bestimmt nicht damit gerechnet, so brutal aus dem Leben gerissen zu werden, ohne Chance auf einen Abschied oder ein Testament.«
    »Sie unterschätzen ihn schon wieder«, entgegnete der Colonel, der dicke blaue Rauchschwaden in die Luft paffte. »Ein Redakteur des
Evening Standard
hat heute früh hier angerufen. Er ist in Besitz eines Nachrufes, den Lawrence selbst entworfen, verfasst und ihm zugeschickt hat. Der Schreiberling wollte nur wissen, ob er ihn schon veröffentlichen könne.«
    Morgan sah den Colonel überrascht an. »Er wollte wohl bis zuletzt das Bild der Legende pflegen«, murmelte er dann, »bis über seinen Tod hinaus.«
    »Vielleicht wollte er einfach sicherstellen, dass nicht irgendwelche Dilettanten seinen Nachruf schreiben und dabei die Tatsachen verfälschen würden«, grinste Majors. »Lektion vier – nimm immer das Naheliegende an.«
    »Und die Lektionen eins bis drei?«, wollte Morgan wissen.
    »Traue niemandem, glaub nur das, was du siehst und denk schneller als die anderen«, zählte Majors auf und griff nach Mantel und Hut. »Kommen Sie, Großhirn, es wird Zeit, nach Hause zu fahren. Ich bin todmüde. Morgen ist Sonntag, und wenigstens einen freien Tag in der Woche haben wir uns verdient. Ich nehme Sie in meinem Wagen mit.«
    Nach einem letzten Blick auf den Patienten verließen Colonel Frank Majors und Andrew Morgan das Krankenzimmer. Ihre Aufgabe war erfüllt.
    Sie sollten T.E. Shaw nie wiedersehen.

»Krögers Brötchen«, Frankfurt-Sachsenhausen/Deutschland
    »Der Bentley ist tatsächlich auf einen Trust auf den Cayman Islands zugelassen.« Martina Trapp legte ihr Handy beiseite und blinzelte in die tiefstehende Sonne, die zwischen zwei Häusern auf den kleinen Vorgarten der Bäckerei schien. Dann griff sie nach ihrem Becher Kaffee.
    »Das war mir klar.« Thomas Calis schmierte resigniert noch eine Lage Himbeermarmelade auf sein Brötchen. »Die Sicherheit von Blondschopf kam nicht von ungefähr. Der ist aalglatt und hat sich schon aus ganz anderen Situationen herausgewunden, nehme ich an. Er wollte in Erfahrung bringen, was ich weiß und mich zugleich wissen lassen, dass mich das alles gar nichts mehr angeht. Motto: Fahren Sie nach Hause und seien Sie froh und glücklich, wir haben schon alles erledigt.«
    Trapp und Calis hatten den einzigen Tisch in dem handtuchgroßen Garten vor der Bäckerei belegt, fünf Minuten, nachdem die aufgesperrt hatte. Die Brötchen waren noch fast heiß und der Kaffee frisch und stark.
    »Und Sie meinen, er war es, der den Anschlag in Auftrag gegeben hat?« Trapp sah über ihren Becher hinweg einem Autofahrer zu, der es nach dem

Weitere Kostenlose Bücher