Heiß
geflickt, während die Schäden in den Beeten, durch die der brennende Anhänger seine Spur gezogen hatte, deutlich sichtbar waren. Eine wahre Spur der Verwüstung in der sonst so ruhigen Wohngegend.
Trapp fuhr ihren Mini bis ans Ende der Straße, vorbei an den hohen Wohnsiedlungen, die links und rechts in die Höhe wuchsen.
»An Augenzeugen dürfte es nicht gemangelt haben«, murmelte Calis nach einem Blick auf die zahlreichen Fenster.
»Viel zu früh für Spaziergänger und zu spät für Heimkehrer«, erwiderte Trapp und blätterte in einem kleinen Notizbuch, das sie aus ihrer Handtasche gezogen hatte. »Ideale Zeit für einen Anschlag, wenn man es so bedenkt. Alles schläft, die erste Explosion reißt die Anwohner aus dem Tiefschlaf. Verwirrung. Zweite Explosion. Also doch! Hastig aufstehen, ans Fenster rennen, es brennt! Aber was davor genau geschehen ist, das hat niemand gesehen. Gemeinsam mit zwei Kollegen haben wir zu dritt mehr als hundert Anwohner vernommen.«
Calis nickte stumm und schlenderte die Straße hinunter. Auf einer Grünfläche spielten kleine Kinder Fangen, bewacht von ihren Müttern, die sich unterhielten. Die größeren waren in der Schule, während die Hausfrauen die Zeit nutzten, um einkaufen zu gehen. Der Parkplatz des Supermarkts weiter unten an der Arolserstraße füllte sich mit den obligaten Kleinwagen in hellblau, weiß und erbsengrün. Während Trapp noch weitererzählte und von den Vernehmungen berichtete, schaute Calis hinauf, entlang der hohen Mauern mit den unzähligen Fenstern. Hunderte Schicksale, keine Antwort.
Wo war ihr Augenzeuge?
Bei so vielen Anwohnern musste es einfach jemanden geben. Einen schlaflosen Schichtarbeiter, eine Krankenschwester, die spät von der Arbeit nach Hause kam, einen Buschauffeur, der zur Frühschicht musste, wie sein Nachbar.
»Hören Sie mir eigentlich zu?«, fragte Trapp etwas indigniert und sah ihn forschend an.
»Immer wieder«, murmelte Calis entschuldigend. »Mit Hingabe.«
Ein älterer Mann mit Schiebermütze und einem Dackel an der langen Leine mühte sich humpelnd auf dem Gehsteig bergan. Cordhose an breiten Hosenträgern, kariertes Hemd. »Die Beckers sind umgezogen«, meinte Calis belustigt, froh, das Thema wechseln zu können. »Jetzt machen sie Frankfurt unsicher.«
Er ließ Trapp stehen und spazierte hinüber, aufmerksam beobachtet von dem Dackel, der jedoch nicht bellte, sondern nur das Bein hob und hingebungsvoll an eine Straßenlaterne pinkelte.
»Guten Morgen!«, sagte Calis und lächelte den Mann am anderen Ende der Leine an.
»Ach was! Gute Morgen gibt’s schon lange keine mehr«, brummte sein Gegenüber und blickte dem Kommissar misstrauisch entgegen. »Arthrose, ein undichter Hund, der am liebsten nie nach Hause ginge, und eine Frau, die dafür nie rausgeht. Guter Morgen, sagten Sie?«
Calis lachte und streckte dem Spaziergänger die Hand entgegen. »Kommissar Thomas Calis von der Kripo Berlin. Wir untersuchen die Explosionen und das Feuer.«
»Was hat die Berliner Kripo damit zu tun?«, wunderte sich der Mann und kratzte sich am Kinn. Dann schüttelte er Calis‘ Hand. »Walter Neumann. Und diese inkontinente Fontäne auf vier Beinen ist Toni. Die Explosionen, sagten Sie? Ja, das war ein ordentlicher Krach. Hab ich mich erschrocken! Ich war im Treppenhaus und dachte, jetzt ist der Aufzug abgestürzt, und ich muss in den fünften Stock zu Fuß rauf.«
»Toni?«, fragte Calis und hob die Augenbrauen.
Neumann nickte unglücklich. »Klar, was sonst? Glauben Sie, ich bewege mich um halb vier Uhr morgens nur so zum Spaß? Die Zeiten sind vorbei.« Er wies mit dem Kinn auf den Dackel, der an Calis‘ Jeans schnupperte. »Der säuft abends absichtlich mehr, damit ich mitten in der Nacht mit ihm runtermuss.«
Martina Trapp trat dazu, und Toni widmete sich sofort den Beinen des Neuankömmlings.
»Kollegin Trapp von der Frankfurter Kripo«, sagte Calis und warf kurz einen Blick in die Runde. Auf der anderen Straßeseite johlten die spielenden Kinder vor Vergnügen. »Sagen Sie, Herr Neumann, waren Sie auf dem Weg hinaus, oder kamen Sie von der Erledigung der Geschäfte schon wieder zurück, als es knallte?«
»Ich war froh, wieder im Haus zu sein«, antwortete Neumann und zog Toni zurück. »Der Spaziergang davor war lang genug. Die halbe Arolser ist weggeschwommen, bevor der Herr da sich bequemte, endlich in Richtung Körbchen zu wackeln.«
»Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen?«, wollte Calis wissen und ärgerte sich
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