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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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eingewandt, war aber auf völliges Unverständnis gestoßen.
    »Laut Paragraph 24 b der Kleingartenordnung können wir die Parzelle 9 / 54 jederzeit neu vergeben, sollte sie ungepflegt, vernachlässigt und offensichtlich ungenutzt sein oder den Vorschriften nicht entsprechen«, hatte der Vorsitzende ihn kühl wissen lassen. »Sie haben noch genau zwei Wochen Zeit.«
    Das war das Ende des Gesprächs gewesen und der Beginn eines Wettlaufs gegen die Zeit, des Kampfs gegen Unkraut und Wildwuchs, überbordende Stauden und die verwitterten Holzbalken einer ehemals weiß gestrichenen Gartenlaube im Miniformat. Vom Haus, das direkt aus einer Modellbahnlandschaft zu stammen schien, gar nicht zu reden.
    Das volle Ausmaß der Katastrophe war Thomas Calis klar geworden, als er das erste Mal vor einem windschiefen, rostigen Eisentor stand und versuchte, durch das überbordende Gestrüpp irgendetwas zu erkennen. Auf dem Grundstück links von ihm zog ein kleiner Japaner unter ständigem Gemurmel seinen Rechen durch Kubikmeter von Kies und legte komplizierte Muster um Bonsai-Bäumchen an. Rechts tuckerte laut pfeifend eine Modelleisenbahn durch exakt rechtwinkelig gezogene Blumenrabatten, begleitet vom offensichtlichen Gejohle einer Kolonie Gartenzwerge mit weit aufgerissenen Mündern.
    Thomas Calis ließ den Kopf hängen und schloss verzweifelt die Augen.
    »Hallo Nachbar!«, ertönte es aus der japanischen Enklave. »Haben Sie eine Machete mitgebracht? Oder sprengen Sie sich den Weg frei, Mastel Blastel?«
     
    Eine arbeitsreiche Woche später – das Osterwochenende und damit der alles entscheidende Termin rückten unerbittlich näher – war Alice ihm in den Rücken gefallen.
    »Ich nehme nicht an, dass du unseren Kurzurlaub auf Sylt vergessen hast«, hatte sie spitz bemerkt. »Abreise Karfreitagnachmittag in meinem neuen Cabrio. Ich möchte Ostern nicht in Berlin festsitzen, während alle meine Freundinnen sich zwischen Garmisch und Kiel beim fröhlichen Eiersuchen im eleganten Rahmen vergnügen.«
    »Hmm, daraus wird leider nichts«, hatte Calis gemurmelt und war dabei in Gedanken durchgegangen, was im Schrebergarten noch alles zu tun war. »Ich bin es Tante Louise schuldig.«
    »Pah! Du bist ihr gar nichts schuldig!« Alice’ erboster Kommentar hatte die Eröffnung der Feindseligkeiten signalisiert. Das erbitterte Wortgefecht, an dessen Ende die Anwältin wütend die Tür hinter sich zugedonnert hatte, war das Letzte, das Thomas Calis seitdem von seiner Freundin gehört hatte.
    Als er sich am Karsamstagabend auf seine Schaufel stützte und nachdenklich das erste Beet betrachtete, das er im Schweiße seines Angesichts angelegt hatte, fiel ihm Alice wieder ein. Wahrscheinlich drängte sie sich bereits kurzberockt an der Theke der Sansibar in Rantum, schlürfte Austern mit ein paar Verehrern im Schlepptau, die sich um die Bezahlung der Zeche stritten und dabei ihren Hintern nicht aus den Augen ließen.
    Während er Regenwürmer belästigte …
    »Nicht schlecht für einen Anfänger«, bemerkte die japanische Fraktion gönnerhaft mit breitem Grinsen, während der Zugmagnat auf der anderen Seite offenbar beschlossen hatte, den neuen Nachbarn zu ignorieren und stattdessen außerplanmäßig einen besonders langen Sonderzug einzuschieben.
    Die Gartenzwerge johlten glücklich.
     
    Montags war dann pünktlich um neunzehn Uhr wie angedroht das Dreigestirn am Osterhimmel aufgetaucht, Zollstock, Klemmbrett und Lageplan in der Hand. Das oberste Gremium der Kleingartenanlage »Sonntagsfrieden« ließ keinen Zweifel daran, dass es ihm todernst war. Nach einer kurzen Begrüßung, die eher einer Kriegserklärung ähnelte, begannen sie die »Begehung des Grundstückes«, wie sie es nannten, schauten, maßen, schritten ab. Ihren wachsamen Blicken entging nichts. Die Höhe der Hecken, die Breite der Bäume, die Lage der Beete, der Abstand der Sträucher von der Grundgrenze, der neue Anstrich des Gartenhauses, die Art der gepflanzten Blumen. Hundertfünfzig Jahre Erfahrung in Kleingärtnerei trafen erbarmungslos auf pures Anfängertum.
    Thomas Calis ertappte sich plötzlich dabei, wie sich seine Mordgelüste kaum noch zurückdrängen ließen. Er fühlte sich wie bei einer Prüfung, von der seine Zukunft abhing. Für einen Moment durchzuckte ein mörderischer Gedanke nach dem anderen sein Gehirn. Sprengung, Totschlag mit der Schaufel, heimliches Verbuddeln der Leichen im Tulpenbeet. Doch als er seinen japanischen Nachbarn sah, der neugierig

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