Heiß
hatte ganze Arbeit geleistet, als er die falschen Koordinaten an die ISI durchgegeben, damit seinen Auftrag verraten, seine Familie jedoch gerettet hatte.
Der Flug des Phönix war so gut wie geglückt.
John Finch atmete auf, als er spürte, wie die Räder der Harrier den Boden berührten und er die Turbine auf Standgas herunterfuhr. Er öffnete die Pilotenkanzel und sah einen Mann in abgerissenen traditionellen Stammeskleidern mit einer Leiter auf der Schulter auf den Jet zulaufen.
Sonst war weit und breit niemand zu sehen.
Gierig atmete Finch die Luft der Berge ein. Sie war kühl und würzig, roch nach frisch gemähtem Heu. Ein Hochgefühl durchströmte ihn. Der erste Teil seiner Aufgabe war geglückt.
Der Mann hatte die Harrier erreicht und lehnte vorsichtig die Leiter an das Cockpit.
»Mr. Shabbir Salam?«, schrie Finch aus vollem Hals, um die Turbine zu übertönen, und blickte erwartungsvoll hinunter zu seinem Passagier, der sich anschickte, die Leiter hochzusteigen.
»Mr. John Finch?«, kam es vom Fuß der Leiter zurück. »Schön, Sie zu sehen und das ist noch untertrieben!«
»Bleiben Sie etwas zurück, ich werfe die Zusatztanks ab, und dann sind wir unterwegs!« Finch wartete, bis der Mann zurückgetreten war und wieder ein wenig Abstand vom Jet gewonnen hatte, bevor er die beiden Knöpfe für die Zusatztanks drückte.
Die Metallbehälter fielen mit einem dumpfen Laut von den Flügelspitzen auf den Boden.
Einen Augenblick später geschah das Unfassbare: Die Turbine der Harrier verstummte mit einem letzten, leisen Fauchen.
Dann war es still, und nur noch das Rauschen des Flusses war zu hören.
Nieder Kirchweg 115 , Frankfurt/Deutschland
Das Haus Nieder Kirchweg 115 war ein doppelstöckiges Wohnhaus mit rotem Dach, wie es Tausende in den deutschen Vorstädten gibt. Erbaut in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts und halbherzig restauriert in der hohen Zeit der Aluminiumfenster, hatten vermeintliche Graffiti-Künstler immer wieder hartnäckig ihre Spuren hinterlassen. Irgendwann hatte man es dann offenbar aufgegeben, die sinnlosen gesprayten Symbole zu entfernen. So lag der einstmals bürgerliche Bau nun mit seinen sechs Wohnungen und den meist heruntergelassenen Rollos vor den Fenstern eingezwängt zwischen einem Autohaus, einer Lackier- und einer Hobbywerkstatt. Die viel befahrene, vierspurige Ausfallstraße mit dem etwas schütteren Grünstreifen als Fahrbahntrennung direkt vor der Tür machte die Wohnlage im Südwesten Frankfurts auch um keinen Deut attraktiver.
Thomas Calis parkte seinen Golf auf dem Hof der Werkstatt, direkt neben der rostigen Leiche eines alten Opel Kapitäns unbestimmter Farbe, dem Scheiben und Räder fehlten.
»Wenigstens im Vergleich zu dem sieht meiner gut aus«, bemerkte er trocken und sah sich um. Der große gelbe Bau war zweigeteilt worden. Zwei Eingänge, zwei Hausnummern. Das sollte die Suche nach dem Legionär mit dem französischen Namen vereinfachen.
Trapp war bereits unterwegs zu dem weißen Klingelbrett, das unter der blauen Nummer 115 angebracht worden war, während Calis in Richtung Werkstatttor schlenderte, aus dem lautes Hämmern drang.
An den sechs Hebebühnen in der Halle herrschte geschäftiges Treiben. In einem kleinen, modernen Büro nebenan, mit zwei Blondinen und einem kräftigen, ein wenig untersetzten Werkstattmeister hinter dem Tresen, wurde heftig und lautstark diskutiert. Zwei Kunden, ein junges türkisches Paar in Jeans und T-Shirt, schienen mit der Höhe der Rechnung unzufrieden.
Eine der jungen Frauen am Empfang sah Calis erwartungsvoll an. »Was darf‘s sein?«
Der Kommissar schob seinen Ausweis über den Tresen. »Ein paar richtige Auskünfte würden genügen«, lächelte er.
»Oh, Polizei«, sagte die junge Frau laut und wies auf den Mann mit den beginnenden grauen Schläfen, der in der fleckigen Latzhose irgendwie deplatziert wirkte. »Dann sprechen Sie besser mit dem Chef.«
Während sich das junge Paar überraschend schnell verabschiedete und verschwand, kam der Werkstattmeister um den Tresen herum. »Polizei? Gibt’s irgendwelche Probleme?«
Calis schüttelte den Kopf. »Für Sie nicht, für mich schon. Wir suchen einen Mann, der im Haus da vorne wohnen soll. Nummer 115 . Vielleicht ist er Kunde bei Ihnen, und Sie können mir mehr über ihn erzählen.«
»Warum gehen Sie dann nicht einfach hin und fragen ihn selbst?«, erkundigte sich der Chef irritiert.
»Weil er nichts mehr sagen kann«, antwortete
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