Heiß
tot.
»Bringen diese fliegenden Tölpel von der Air Force endlich irgendetwas in die Luft?«, schrie der ISI -Agent und trommelte mit seinen geballten Fäusten frustriert auf die Tischplatte. Auf dem Radarschirm der militärischen Flugsicherung in Karatschi war der blinkende Punkt erneut aufgetaucht, diesmal keine achtzig Kilometer von der afghanischen Grenze.
»Zwei Mirage3 sind soeben aufgestiegen und haben Kurs auf den Hindukusch genommen«, berichtete der Einsatzleiter mit ruhiger Stimme und legte den Telefonhörer auf. »Sie fliegen im Kampfeinsatz und werden versuchen, das unidentifizierte Flugzeug noch vor der Grenze abzufangen.«
Damit stand er auf und verließ den Überwachungsraum. Bevor die Tür ins Schloss fiel, hörte er den Geheimdienstmann noch immer toben. Der Einsatzleiter war zufrieden, und die leitenden Offiziere bei der MI würden es auch sein. Er hatte den Anruf in der Air Force Base so lange wie nur möglich hinausgezögert.
Mehr Zeit hatte er Phönix beim besten Willen nicht verschaffen können.
Nieder Kirchweg 115 , Frankfurt/Deutschland
Das Licht fiel in dünnen Streifen durch die heruntergelassenen Jalousien. Die kleine Wohnung unter dem Dach – Flur, Küche, Bad, Wohn- und Schlafzimmer – war heiß, roch muffig und nach angebranntem Knoblauch zugleich. In der Spüle stapelte sich schmutziges Geschirr mit bereits eingetrockneten Essensresten. Martina Trapp verzog die Nase und warf einen Blick in den Kühlschrank. Gähnende Leere bis auf einen abgelaufenen Joghurt, zwei Flaschen Bier und verschimmelten Käse.
Thomas Calis sah sich inzwischen im Wohnzimmer um. Die abgewohnte Einrichtung musste bereits mehrere Bewohner gesehen haben. Ein fadenscheiniges Sofa mit IKEA -Kissen vor einem Tisch mit zwei altmodischen Stühlen. In der Ecke neben dem Fenster ein Wandregal mit Büchern und Nippes. Darauf eine Schicht Staub, in der Calis’ Finger eine deutliche Spur hinterließ.
Die Bilder an der Wand waren gerahmte Drucke oder Fotos aus Kalendern, denen man den Datumsteil abgeschnitten hatte, der Flickenteppich in der Mitte des Raumes war reif für eine gründliche Wäsche oder den Abfall. Wer hier wohnte, legte entweder keinen Wert auf Sauberkeit und auf ein Minimum an Behaglichkeit, oder er war stets unterwegs und kam nur zum Schlafen hierher.
Als der Kommissar die Tür zum Schlafzimmer aufstieß, hörte er Kollegin Trapp in der Küche rumoren. In dem kleineren Raum war die Luft dank eines gekippten Dachfensters besser. Das Doppelbett war nur auf einer Seite benutzt worden, auf der zweiten fehlten Decke und Kissen. Also hatte Kreutzer hier allein geschlafen, dachte Calis und versuchte, dem abstrakten Gemälde über dem Kopfende irgendeinen Sinn abzugewinnen.
Was ihm nicht gelang.
Schließlich wandte er sich achselzuckend dem ausladenden, schweren Schrank mit den breiten Schiebtüren zu, der neben einem Nachtschränkchen – leer bis auf ein Paket Taschentücher und Kondome – und der dazugehörigen Leselampe die Einrichtung des Schlafzimmers komplettierte.
Vier Uniformen, sorgsam in durchsichtige Plastiküberzüge gehüllt, fielen Calis als Erstes ins Auge. Vom tarnfarbenen Kampfanzug bis zur weißen Paradeuniform, alle waren sie nach der Reinigung makellos sauber archiviert worden. Die Stiefel, die darunterstanden, waren auf Hochglanz gewichst. Koppel, Handschuhe, ein halbes Dutzend Barette, Abzeichen und zwei Schachteln mit Ordensspangen, deren Bedeutung Calis nicht kannte, lagen in den Fächern daneben.
»Legio patria nostra«, murmelte Calis, schob die Unterhosen und Socken im nächsten Fach beiseite und pfiff leise durch die Zähne. Ein Colt Double Eagle Combat Commander in seiner blauen Originalschachtel und eine wenig getragene italienische Beretta 9 mm in einer Wildlederhülle waren ganz hinten an der Schrankwand versteckt. Daneben mehrere volle Pakete à fünfzig Patronen für beide Waffen.
In Fach Nummer drei lag ein kleiner Laptop mit Ladegerät, T-Shirts und fünf Uniformhemden, gebügelt und gestärkt. Die Abzeichen auf den Ärmeln gaben Calis Rätsel auf. Neben einem Tigerkopf auf gelb-grauem Grund mit den Buchstaben » CIGS « darüber und den Worten »Operações na selva« darunter, gab es Spangen mit dem gleichen Motiv, einem seine Zähne fletschenden Tiger, eingerahmt von Lorbeerranken.
Wer war dieser Erneste Lacroix, beziehungsweise dieser Ernst Kreutzer? Wo kam er her? Was genau hatte er bei der Legion gemacht? Und wer hatte ihn schließlich angeheuert,
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