Heiß
meinte der Wachmann etwas verständnislos, »er arbeitet seit mehr als fünf Jahren als Pförtner, wie ich. Wir haben fast zur gleichen Zeit bei Siemens begonnen.«
»Tronheim hatte also heute Dienst«, fasste der Kommissar zusammen. »Dann haben Sie von ihm übernommen.«
»Genau«, bestätigte der Pförtner, »ich war ein paar Minuten früher dran, und wir haben uns noch unterhalten. Heute ist es ruhig, ist ja Ostern.« Der Mann zuckte die Achseln. »Kurt und ich, wir teilen uns meistens die Feiertags- oder Wochenenddienste, weil wir keine Familie haben. Außerdem können wir das zusätzliche Geld ganz gut gebrauchen. Aber was ist mit Kurt eigentlich?«
Calis fuhr sich mit der Hand durchs nasse Haar. »Er ist tot, ja … tut mir leid.«
»Was ist passiert? Hatte er einen Unfall?«, fragte der Portier erschrocken. »Mit dem Fahrrad? Ich habe ihn immer wieder gewarnt. Die fahren hier wie verrückt.«
»Sagen Sie einmal, Herr …« Der Kommissar sah den Mann im hellblauen Hemd und der dunklen Hose fragend an.
»Rieger, Volker Rieger.«
»Herr Rieger, ist Tronheim auch heute mit dem Rad nach Hause gefahren?« Calis spürte, wie die Müdigkeit sein Gehirn erreichte. Hatte der Pförtner ihm das bereits gesagt?
»Ja, selbstverständlich war er mit dem Rad da. Er hatte ein wenig Bedenken wegen der Gewitterwolken, aber er hoffte wohl, noch trocken nach Hause zu kommen.« Rieger ließ sich auf seinen Stuhl fallen. »Wie ist es passiert?«
Nach einem Augenblick der Stille antwortete Calis: »Es war kein Unfall. Wie es aussieht, ist er ermordet worden.«
»Häh?«, krächzte Rieger verständnislos und in seinem Gesicht zeichnete sich ratloses Entsetzen ab. »Ermordet? Aber warum …?« Er verstummte und blickte Calis mit großen Augen an.
»Gute Frage, daran arbeiten wir gerade«, gab der Kommissar zurück und legte eine leicht aufgeweichte Visitenkarte neben das Rätselheft. »Ich muss weiter. Sollte Ihnen etwas einfallen, dann rufen Sie mich an. Sind Sie die nächsten Tage hier?«
Der Pförtner nickte stumm, während er die Visitenkarte mechanisch zwischen den Fingern drehte, ohne einen Blick darauf zu werfen.
Als Calis wieder in die Nacht hinaus trat, überlegte er kurz, den Schirm erst später außer Sichtweite oder besser noch gar nicht aufzuspannen. Doch angesichts des strömenden Regens fiel nach wenigen Metern die Entscheidung zugunsten der Peinlichkeit am Stiel, wie er ihn insgeheim getauft hatte.
Die Spurensicherung packte gerade zusammen, das provisorische Zelt über dem Golf war verschwunden und die Schweinwerfer waren bis auf einen alle abgebaut worden. Im Lichtkegel der starken Lampe schienen Myriaden von Tropfen in Wellen durch die Berlichingenstraße getrieben zu werden.
Neben dem Toten, in der offenen Beifahrertür des Golfs, kauerte ein grauhaariger Mann im Trenchcoat. Er schien den Regen nicht zu bemerken, obwohl ihm das Wasser in Strömen in den Kragen rann. Calis trat hinter die Gestalt und schaffte mit dem Schirm eine trockene Insel.
»Ich habe mir schon immer mein kleines, eigenes Hochdruckgebiet gewünscht«, meinte Doktor Sternberg lakonisch, ohne sich umzusehen. Der Arzt und Calis kannten sich seit Jahren. Thomas Calis schätzte die Intuition des Mediziners und Sternberg die ruhige Art des jungen Kommissars.
»Hallo Doc! Erst ein Bierchen in der Kneipe, dann eine helfende Hand, was kann man sich am Ostermontag sonst noch wünschen?« Calis beugte sich vor. »Irgendetwas entdeckt, was ich wissen sollte?«
»Ich würde mich auf die Suche nach einem Fahrrad machen, auch wenn das bei dem Wetter absolut nicht passt«, gab Sternberg zurück. »Die Verletzungen am Bein sehen nach einem Zusammenstoß aus.«
»… und zwar mit dem Golf, in dem er sitzt«, ergänzte der Leiter der Spurensicherung, der neben die beiden Männer trat. »Weinrotes Rad, den Farbresten nach zu schließen.«
»Marke, Baujahr, Zustand?«, warf Calis grinsend ein.
»Du mich auch«, antwortete Bergner ruhig. »Der Regen hat viele Spuren einfach ertränkt, aber wir nehmen an, dass er außerhalb des Wagens umgebracht wurde, auf offener Straße sozusagen.«
»Danach hat ihn der Täter dann in den Golf gesetzt?«, erkundigte sich Calis nachdenklich.
Doktor Sternberg nickte. »Nicht genug Blut im Wageninneren. Daher ein klares Ja.«
»Keine Zeugen bisher? Wer hat uns alarmiert?«, wollte der Kommissar wissen.
»Eine Autofahrerin, die ihren Wagen neben dem Golf geparkt hatte und nach dem Einsteigen durch das
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