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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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während Fiona auf dem großen Anwesen im Dschungel geblieben war und die Leitung der Stiftung übernommen hatte, die ihrem Großvater so am Herzen gelegen hatte. In dieser Rolle flog sie seither um die ganze Welt und war deshalb in den letzten sechs Monaten kaum in São Gabriel gewesen.
    So war auch die Liebesgeschichte zwischen Finch und ihr im Sand verlaufen, mangels Zeit und Nähe. Allmählich ausgetrocknet wie ein Rinnsal, das das Meer nie erreichen sollte.
    »Es geht ihr gut, danke«, nickte die junge Frau und schlenderte langsam durch die leeren Räume. Ihre Schritte hallten zwischen den nackten Wänden. »Leere Wohnungen sind das Zuhause der Melancholie. Hüllen, Schalen ohne Inhalt, die auf eine neue Aufgabe warten. Wie lange wirst du wegbleiben?«
    Finch blickte sie über den Rand des Kaffeebechers an. »Für immer, aber was heißt das schon in meinem Alter?«
    »Nicht viel«, grinste Fiona und lehnte sich an ihn. Er roch ihr Parfum und spürte eine Welle des Bedauerns. Vielleicht hätte er sich mehr anstrengen sollen? »Wir werden uns also eine neue Bar suchen müssen, am anderen Ende der Welt. Weißt du schon, wohin du gehst?«
    »Ostwärts, erst einmal nach Kairo, zurück zu den Wurzeln, schauen, ob das Savoy noch steht«, antwortete Finch und zog die Schultern hoch. »Und dann, dann werd’ ich weitersehen. Kommt Zeit, kommt ein Auftrag um die Ecke gebogen.«
    »Du weißt, dass sich viel verändert hat in den letzten Jahren«, meinte die junge Frau. »Ein paar Diktatoren weniger, dafür ein paar Demokratisierungsversuche mehr. Alles ist in Bewegung, trügerisch wie Treibsand.«
    »Bis jetzt nichts wirklich Neues, nur das Alte in neuer Verpackung«, gab Finch zurück. »Meine Welt war noch nie pensionsberechtigt. Jedes Regime sucht gute Piloten, ob Diktatur oder Demokratie. In einem Kontinent, auf dem die meisten Straßen Pisten sind, haben Flügel eindeutig Vorteile.«
    »Willst du wieder ein eigenes Flugzeug?«, erkundigte sich Fiona, »oder bist du
a hand for hire?«
    »Erst mal werde ich mich umsehen, was so angeboten wird. Dank der Vorauszahlung deines Großvaters bin ich ziemlich unabhängig.« Finch leerte seinen Kaffeebecher und schnitt eine Grimasse. »Ein Wasserflugzeug hätte in der Wüste sowieso nicht viel Sinn gehabt.«
    Fiona nickte. »Du vermisst die Albatross noch immer, nicht wahr? So wie ich meinen Großvater.« Sie schluckte. Dann sah sie Finch an. »Ich werde versuchen, mir nicht zu viele Sorgen um dich zu machen. Es wäre nett, wenn du es mir damit nicht zu schwer machen würdest.«
    »André Kostolany hat einmal gesagt, es gibt alte Piloten und es gibt kühne Piloten, aber es gibt keine alten, kühnen Piloten«, erinnerte sie Finch.
    »Was nur beweist, dass sich auch ungarische Finanzexperten einmal irren können«, gab Fiona ungerührt zurück. »Er hätte bei seinen Zahlen bleiben sollen. Außerdem kannte er dich nicht.«
    »Der Satz ging noch weiter«, sagte Finch grinsend. » Mit Ausnahme von Finch, dem alten Haudegen.«
    »Angeber!«, lachte Fiona und boxte ihn in die Seite. »Komm, ich bring dich zum Flughafen. Dann haben wir noch ein paar Minuten für uns. Wo ist eigentlich Captain Sparrow?«
    Der Papagei, den Finch nach seinem letzten Abenteuer adoptiert hatte – oder war es umgekehrt gewesen? –, war in den vergangenen Monaten sein treuer und äußerst gesprächiger Begleiter bei fast allen Unternehmungen gewesen.
    »Den Plapperschnabel habe ich schon vor vier Wochen losgeschickt, damit ich ihn heute am Flughafen von Kairo aus der Quarantäne holen kann«, antwortete Finch und nahm die Koffer. »Ich muss gestehen, dass es in der letzten Zeit hier etwas zu ruhig für meinen Geschmack war.« Er schmunzelte und zog die Tür hinter sich zu. »Aber diese Aussage werde ich in spätestens zehn Stunden bereuen.«

Bar 45 °, Prinzenallee, Berlin-Gesundbrunnen/Deutschland
    Die Räume der Bar 45 ° waren nicht voll, sie waren überfüllt.
    Das angesagte Lokal, eine Mischung aus Shishaclub, Nobeldisco und Cocktailbar in der Berliner Prinzenallee, machte seinem Namen alle Ehre: Die Temperatur in der Bar war trotz des Gewitters draußen über die Vierzig-Grad-Marke geklettert, und so hatte Alice ihr Glas genommen, die Tür geöffnet und war aufatmend ins Freie gestöckelt, als der Regen aufgehört hatte. Nach ihrer Rückkehr aus Sylt knapp vor Mitternacht war sie noch auf einen Absacker in das Nachtlokal gegangen, das keine zehn Gehminuten von ihrer kleinen Wohnung entfernt war.

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