Heiß
vierten Mal an der Kreuzung Haymarket und Charles II Street vorüber. Llewellyn beobachtete sorgfältig die Passanten, die wenigen geparkten Fahrzeuge, die Gruppen von Touristen, die sich am Theatre Royal vorbeischoben. Endlich war er zufrieden, hielt den Wagen an und drückte Finch die wenigen Geldscheine in die Hand, die sie zur Verfügung hatten.
»Ihr bleibt hier«, sagte er. »Sollte ich in zehn Minuten nicht wieder zurück sein, dann fahrt los, am besten an die Küste. So weit reicht das Benzin im Tank gerade noch. Versucht ein Boot nach Frankreich zu finden, vielleicht nimmt euch einer der Fischer mit, ohne viel zu fragen. Wartet keine Minute länger auf mich.«
Damit stieg er aus, blickte sich noch einmal auf der Straße um, und als er nichts Verdächtiges entdecken konnte, lief er zum Hauseingang. Weil der Lift besetzt war, nahm Llewellyn die Treppe in den dritten Stock. Als er den Schlüssel ins Schloss seiner Wohnungstür steckte und aufsperrte, war es still im Treppenhaus. Selbst der Aufzug schien an seinem Bestimmungsort angekommen zu sein. Llewellyn hörte nur seinen eigenen Atem, der nach dem raschen Aufstieg stoßweise ging.
Der erste Blick in den kleinen Flur verriet ihm, dass sie bereits da gewesen waren. Bilder lagen zerschnitten auf dem Boden, Tapeten hingen in Fetzen von den Wänden. Umgestürzte Schränke türmten sich zwischen aufgeschlitzten Sesseln und den kümmerlichen Resten seines Sofas. Selbst den alten Kamin hatten sie auseinandergenommen, die Bücher auf einen großen Haufen mitten im Wohnzimmer zusammengeworfen, das Regal zerlegt und die Wand dahinter offenbar mit einem Hammer abgeklopft. Im Schlafzimmer sah es um keinen Deut besser aus.
»Schweine«, zischte Llewellyn und eilte hinüber ins Badezimmer. Nur mühsam drängte er die Wut zurück, die in ihm hochstieg. Hier war der Schaden seltsamerweise geringer. Keine Kachel war zerstört worden, lediglich die Handtücher aus dem kleinen Schränkchen lagen zusammengeknüllt in der Badewanne, die Teile des Deckels der WC -Spülung darunter.
Der Major stellte sich auf die Zehenspitzen und hebelte mit einer raschen Handbewegung ein kleines Lüftungsgitter aus seiner Verankerung.
Der schmale Hohlraum dahinter, dicht mit Spinnweben durchzogen, war leer.
Doch Llewellyn löste die darunterliegende Fliese der nächsten Reihe vorsichtig ab, zog sie aus dem Verbund der anderen. Fugenmasse bröselte in kleinen Stücken heraus und rieselte auf den Boden. In dem quadratischen Loch in der Wand lag ein schmales, aber dickes, in Wachspapier eingewickeltes Päckchen, das Llewellyn in sein Hemd steckte.
Als er sich umdrehte und das Bad verlassen wollte, versperrte ihm plötzlich ein Mann in der Tür den Weg, die Pistole im Anschlag.
»Willkommen zu Hause, Major«, sagte er lächelnd. »Früher oder später mussten Sie ja vorbeischauen. Hatten Sie Lust auf ein Schaumbad?«
Merianstraße, Kronberg im Taunus/Deutschland
Um genau zwei Minuten vor vierzehn Uhr klopfte es an der Tür der Bibliothek, und ein verbindlich lächelnder Gregorios Konstantinos betrat den Raum. Er trug ein hellbraunes Leinenjackett zu einem weißen Hemd und Designerjeans und hatte ein schmales Buch unter den Arm geklemmt.
»Ich hoffe, Sie konnten in Ruhe ein wenig arbeiten«, begrüßte er Professor Siegberth. »Haben Sie inzwischen alles bekommen, was auf der Liste stand?«
Die Wissenschaftlerin schob ein paar dicht beschriebene Seiten zusammen und erhob sich. »Einen Ort wie diesen kann man sich für Forschung und ungestörtes Arbeiten nur wünschen. Ich bin mit allem versorgt worden, danke der Nachfrage. Ich fürchte nur, ich bin noch nicht sehr viel weitergekommen.«
Konstantinos schien davon keineswegs entmutigt. »Mir war von Anfang an klar, dass dieses Rätsel kein leichtes ist«, meinte er und machte eine einladende Handbewegung. »Würden Sie mich zum Mittagessen begleiten? Wir können dabei ein wenig die Hintergründe der Entstehung der Pyramide beleuchten. Vielleicht führt das zu neuen Erkenntnissen und hilft Ihnen bei Ihren Nachforschungen.«
Der Tisch, der auf der großen Gartenterrasse hinter dem Haus gedeckt worden war, hätte jedem Luxusrestaurant zur Ehre gereicht. Unter einem riesigen gelb-weiß gestreiften Sonnenschirm war ein Vorspeisen-Büfett mit Antipasti und Salaten aufgebaut worden. Die hohen Korbsessel mit den dazu passenden gelb-weißen Kissen waren mit Blüten dekoriert und eine Auswahl an Getränken wartete in großen Silberkühlern, die
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