Heiß
dass die Beimischung von griechischen Y-Chromosomen bei den Kalash ungewöhnlich hoch war, etwa zwischen zwanzig und vierzig Prozent lag, und dafür konnte bis heute niemand eine Erklärung liefern.«
»Faszinierend. Vielleicht ist also doch etwas Wahres an den Überlieferungen.« Finch putzte gedankenverloren seine Sonnenbrille, bevor er sie wieder aufsetzte. »Und Shah Juan wusste natürlich von den Legenden um den Ursprung der Kalash.«
»Sie waren die Grundlage seines künstlerischen Werks«, bestätigte Salam. »Seine Holzfiguren tragen seltsame phrygische Mützen, sitzen auf Pferden und schwingen altertümliche Waffen.« Er zog das kleine Stück Stoff aus seiner Hemdtasche, das er nahe der Hütte aus dem Gebälk des Vordaches gerettet hatte. »Und dann ist da noch der Beschützer, die legendäre Figur der Kalash. Viele nehmen an, er stelle eigentlich Alexander dar, der für immer über sein verlorenes Volk wacht.«
»Antike griechische Siedler in Pakistan, Alexander der Große und der MI 6 ? Da habt ihr aber einen großen Bogen geschlagen.« Llewellyn schien keineswegs überzeugt.
Das Brummen der Motoren veränderte sich, und Amber rief aus dem Cockpit: »Ich gehe ein wenig tiefer wegen des internationalen Flugverkehrs auf den Pariser Flughäfen. Beginne mit dem Landeanflug in einer halben Stunde!«
»Gibt es sonst irgendetwas Wissenswertes, wenn es um die Kalash geht?«, wollte Finch wissen.
Salam schüttelte den Kopf. »Eine Minorität inmitten einer islamischen Gesellschaft, die sie seit jeher ein wenig herablassend behandelt. Die Kalash haben keine Reichtümer, keine Schrift, keine großen Städte und keinen politischen Einfluss. Sie kämpfen zahlenmäßig ums Überleben, werden immer weniger. Irgendwann werden sie ganz verschwunden sein, aufgegangen in der islamischen Gesellschaft, die sie umgibt.«
»Dann kann es nur die Legende um ihren Ursprung sein, die das Kommandounternehmen in den Hindukusch gebracht hat«, entschied Llewellyn. »Alles andere ergibt keinen Sinn.« Dann fügte er leise dazu: »Das aber auch nicht unbedingt …«
John Finch erhob sich und trat in den Gang zu den beiden anderen. »Alexander der Große. Fiona kommt nach Kairo, und Sparrow wartet in einem Hotelzimmer in Alexandria auf mich. Wenn das kein Fingerzeig ist. Wir fliegen nach Ägypten.«
»Wie bitte?« Der Major sah ihn verblüfft an. »Was soll das werden? Eine Odyssee?«
»Ich erinnere mich an einen Agenten des Geheimdienstes seiner Majestät, der versprochen hat, mir zu helfen, wenn ich für ihn Phönix aus Pakistan heraushole«, sagte Finch schmunzelnd. »Ich habe meinen Teil des Deals eingehalten, und nun ist es so weit. Phönix ist außer Landes, mit uns auf der Flucht vor dem MI 6 und auf der Suche nach einem sicheren Platz für die nächsten Tage. In Alexandria liegt noch immer Amina Mokhtar nach einem unaufgeklärten Anschlag in einer Klinik und kämpft um ihr Leben. Wir könnten also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ägypten ist fürs Erste weit genug weg von England, und gemeinsam finden wir sicher heraus, was sich in der Bibliotheca Alexandrina tatsächlich abgespielt hat.«
Salam blickte verwirrt von einem zum anderen. »Ägypten? Anschlag?«, murmelte er.
»Mir widerstrebt es, vor diesen Anfängern davonzulaufen«, brummte Llewellyn. »Ich würde sie lieber heute als morgen aufmischen. Vielleicht hat Peter sie ja schon alle aus dem Verkehr ziehen lassen.«
»Vielleicht aber auch nicht«, erwiderte Finch trocken. »Willst du das Risiko eingehen? Dann lebt Phönix unter Umständen nicht mehr lange genug, um mit dem Finger auf die Schuldigen zu zeigen. Was den Anschlag auf Dr. Mokhtar betrifft, so nehme ich ihn persönlich. Aber du kannst gerne das Luxusleben in Paris genießen, Amber wird dich mit Freude mitnehmen. Und den Chief Inspector können wir in der Luftaufsichtsbaracke in La Ferté-Alais unterbringen, bis die Kavallerie aus London unsere Spur aufgenommen hat. Also spätestens morgen, wenn sie zwei und zwei zusammenzählen, bei Compton über den Zaun steigen, dann die Videobilder der Autobahnkameras auswerten und den Audi im Hangar von ARC finden. Denkt drüber nach, ich muss zurück ins Cockpit.«
17 . Juni 1940 , Hafen von Lorient, Bretagne/Frankreich
Die Transporte rollten ununterbrochen, einen ganzen Tag lang und bis spät in die Nacht hinein.
Aus dem alten Arsenal der französischen Hafenstadt brachte ein Dutzend Lkws unter schwerer Bewachung stets neue Kisten an die Docks des
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