Heiß
von der steinernen Mole in den Kahn, ungeduldig gab er den vier Ruderern das Zeichen zum Ablegen. Die Männer legten sich in die Riemen, und das kleine Boot schoss vorwärts.
»Das Zeichen! Schaut nur!«, schrie der Matrose und wies mit ausgestrecktem Arm auf die Templerfestung. Das regelmäßige Aufblitzen eines Spiegels war unübersehbar.
»Alles klar zum Segel setzen!«, schallte es übers Deck. »Los, bewegt euch!«
Der Kapitän, ein erfahrener Seemann auf den oft so trügerischen Gewässern des Mittelmeers, blickte zum Himmel und beobachtete aufmerksam den Zug der wenigen Wolken. Für den Weg entlang der Küste südwärts würde er keinen Kompass brauchen, solange er sich in Sichtweite des Landes hielt. Doch diesmal würde seine Reise an Gestade gehen, die er noch nicht kannte. Zum Glück hatte der Araber ihm Karten mitgebracht, überraschend genaue Karten, wie er sie noch nie gesehen hatte. Doch das Segeln in unbekannten Gewässern war stets riskant.
Die
Nuestra Señora de Aragón,
vor wenigen Monaten vom Stapel gelaufen, war der ganze Stolz des Kapitäns, und er wachte über die Caravelle wie über seinen Augapfel. Er hatte in den vierzig Jahren, die er nun bereits zur See fuhr, vieles erlebt. Stürme und riesige Wellen, wochenlange Flauten und Krankheiten, die in kürzester Zeit die halbe Besatzung eines Schiffes hinwegrafften. An die Legenden über die Ungeheuer in den Tiefen des Meeres, die man sich in den Schenken der Häfen erzählte, glaubte er schon lange nicht mehr. Trotzdem bekreuzigte er sich nun und küsste seinen Talisman, ein Amulett, das er stets um seinen Hals trug.
In dem Augenblick, als das Ruderboot an den Rumpf der Caravelle stieß und der einzige Passagier an Bord stieg, ließ der Kapitän den Anker aufholen und die Segel hissen. Sie hatten schon genug Zeit mit Warten verloren, dachte er und gab dem Steuermann den Kurs bekannt. Von nun an kam es darauf an, dass Wind und Wetter ihnen gnädig gestimmt waren. Dann konnte das schmale, schnelle Schiff der neuesten Bauart eine überraschend große Strecke in kurzer Zeit zurücklegen. Doch der Kapitän gab sich keinen Illusionen hin. Sie würden trotzdem lange Wochen unterwegs sein.
Wenn alles gutging. Wenn nicht, dann würden sie spurlos in den Wellen verschwinden, wie schon so viele vor ihnen.
Als die Caravelle Fahrt aufgenommen hatte, trat der Araber neben ihn und lehnte sich gegen die Reling. Das grüne Hügelland der Serra d’Irta lag in einem Schleier aus Morgendunst. »Eine alte Beduinenweisheit besagt, wenn der Wind weht, löscht er die Kerze aus, aber er facht das Feuer an.«
Der Kapitän nickte nachdenklich. »Und er füllt unsere Segel«, meinte er schließlich und wies nach oben zu dem schweren Baumwolltuch, das sich im Wind bauschte. »Möge er uns erhalten bleiben.«
»Inschallah«, antwortete der Araber ernst, »wenn Gott will.«
Ohne die Karten wären sie an der Mündung des großen Flusses, der ein gewaltiges Delta hatte, aber durch mehrere langgestreckte, vorgelagerte Inseln vom Meer abgetrennt war, vorbeigesegelt. Ihre Reise hatte doch länger gedauert als geplant. Vor allem nach der Meerenge, als die große Dünung von Westen her der Caravelle zu schaffen machte, mussten sie oft gegen den Wind kreuzen und verloren Zeit. Dazu kam die Eintönigkeit der Landschaft, die an ihnen vorbeizog und nun seit mehr als drei Wochen immer gleich aussah. All das und die Hitze hatten die Mannschaft aggressiv und launisch gemacht.
So war der Kapitän der
Nuestra Señora de Aragón
erleichtert, als ihm sein arabischer Passagier bedeutete, auf den blendend weißen Sandstreifen zuzuhalten. Das Wasser hatte eine grünliche Farbe und war glasklar. Als der Anker fiel, konnte man seinen Fall auf den Grund bis zuletzt nachverfolgen.
»Ihr findet den Weg zurück?«, fragte der Araber und legte zum Abschied die Hand auf die Brust. »Der Wind steht günstig für Eure Reise nordwärts, und ich lasse Euch die Karten an Bord. Ich brauche sie nicht mehr, für mich gibt es keine Rückkehr nach Aragón.«
Der Kapitän der Caravelle nickte bedächtig und dachte kurz nach. »Ich sehe keine unüberwindbaren Schwierigkeiten«, meinte er dann. »Dank dem günstigeren Wind sollten wir mehr als eine Woche an Reisezeit sparen auf unserem Weg zurück nach Peñíscola.«
»Vergesst nicht, Euren Wasservorrat hier aufzufüllen. Die Flüsse hier führen Süßwasser, und es gibt sogar eine Reihe von Quellen unweit der Küste«, erinnerte ihn sein
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