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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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lederne Hose voller Schrammen und Flecken. Sein unrasiertes Gesicht spiegelte Müdigkeit und Erschöpfung wider. Tiefe Furchen hatten sich um seinen Mund gegraben. Die sonst stets sorgfältig frisierten Haare waren wirr und strähnig. Die lange Reise in den Süden hatte ihn gezeichnet.
    Als sein Pferd im tiefen Sand stolperte und sich nur im letzten Moment wieder fing, wusste er, dass das Tier nach der Nacht ohne Pause am Ende seiner Kraft war. Doch das Ziel war nun zum Greifen nahe. Mit einem behutsamen Zug am Zügel lenkte er den Rappen näher ans Wasser, auf den härteren Sand. Er klopfte ihm mit der Hand auf den Hals und redete ihm leise zu. Vor ihm erhob sich wie ein Scherenschnitt vor dem Morgenhimmel die berühmte Festung am Meer. Die Felsen, die Burg und der kleine Ort, der sich wie schutzsuchend an die Türme und Wehrgänge schmiegte, bildeten eine Einheit, geschützt durch hohe, uneinnehmbare Mauern.
    Das letzte Mal hatte er in Manresa, im Herzen Kataloniens, geschlafen und das Pferd gewechselt. Dann hatte er über die alte Brücke Pont Vell aus der Römerzeit den Fluss gequert und war weiter, immer südwärts geritten. Nach und nach war es wärmer geworden. Die Kälte, der Schnee und der beißende Wind der Pyrenäen waren bald nur mehr eine schlechte Erinnerung gewesen. Doch die Berge hatten seine Kräfte aufgezehrt und die eisigen Temperaturen in den Nächten hatten ihn geschwächt. Ein schwerer Husten schüttelte ihn, seine Stirn glühte. Der Medicus in der Festung würde das richtige Mittel haben, beruhigte er sich, und trieb sein Pferd ein letztes Mal an.
    Der Strand war um diese Zeit menschenleer, und als der Reiter die schmale Landzunge aus Sand erreichte, die das Festland mit dem Felsen verband, konnte er auf der anderen Seite im Süden den kleinen Hafen sehen. Weiter draußen, auf Reede, lag eine Caravelle und schien über der silbernen See zu schweben.
    Die Wachen am Tor sahen ihm neugierig entgegen, als er seinen Rappen zügelte und die letzten Meter im Schritt zurücklegte. Dann ließ er die Lederriemen fallen, tippte sich zum Gruß an die Stirn, zog einen Brief aus seiner Tasche und reichte ihn den schwer bewaffneten Männern. Als die sich unsicher ansahen, lächelte der Reiter dünn. »Ihr könnt nicht lesen?«, fragte er sie.
    Beide Soldaten schüttelten den Kopf.
    »Erkennt ihr dann das Siegel auf dem Schreiben?«, erkundigte sich der Mann mit müder Stimme.
    Einer der beiden trat vor und warf einen Blick auf den Umschlag. Dann nickte er und sein Gesicht erhellte sich. »Kommt Ihr aus Frankreich? Ihr seid uns angekündigt und werdet bereits erwartet, Señor. Folgt mir bitte.«
    Mit einem leisen Quietschen schwang das schwere eiserne Tor auf und gab den Weg frei auf einen verwinkelten Anstieg, der an einigen Häusern vorbei in den Felsen getrieben worden war. Die klappernden Hufe des Rappen hallten laut zwischen den Mauern wider. Dann begannen die Stufen, und der Reiter stieg ab. »Gibt es hier einen Stall, wo man sich um mein Pferd kümmern kann? Es ist am Ende seiner Kräfte und bedarf guter Pflege.«
    »Macht Euch keine Sorgen, Señor«, versicherte die Wache, »und bindet es einfach hier an. Ich werde einen der Stalljungen damit beauftragen, es abzureiben, zu füttern und zu tränken. Wir haben auch gute Mittel gegen geschwollene Gelenke.«
    Der Bote aus Frankreich nickte zufrieden, nahm seine Satteltaschen ab und folgte dem Soldaten bergan. Oliven- und Mandelbäume wuchsen zwischen den Mauern, die im Licht der ersten Sonnenstrahlen orange aufleuchteten. Rosenbüsche verbreiteten einen betörenden Duft.
    Als die Wache an eine schmale Tür klopfte, öffnete sich diese nach wenigen Augenblicken, und ein elegant gekleideter, dunkelhaariger Mann sah erst den Bewaffneten, dann den Fremden neugierig an – den staubigen Umhang, die Satteltaschen, das zerrissene Hemd. Bevor der Soldat der Wache zum Sprechen ansetzen konnte, hob der Mann seine Hand.
    »Geht zurück auf Euren Posten«, sagte er ruhig. Dann wandte er sich an den Neuankömmling. »Willkommen auf Peñíscola, wir haben bereits mit Eurer Ankunft gerechnet. Tretet ein und ruht Euch aus, bleibt so lange Ihr wollt.« Er streckte die Hand aus. »Doch zuvor gebt mir das, was Ihr mir mitgebracht habt.«
     
    Eine Stunde später verließ ein hochgewachsener, ganz in weiß gekleideter Araber die Festung und eilte die Treppen hinunter, an den Wachen vorbei und zu dem kleinen Hafen, wo bereits ein Boot auf ihn wartete. Ohne Zögern sprang er

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