Heiß
war alles, was er damit dem pensionierten Agenten als Antwort entlocken konnte.
Die Klinik, in die Llewellyn Amina Mokhtar hatte bringen lassen, lag in einem der besten und exklusivsten Viertel von Alexandria. Selbst im Morgengrauen vermittelten die riesigen gepflegten Grünanlagen vor beeindruckend ausladenden Villen eine Ahnung vom gut gefüllten Bankkonto ihrer Besitzer. Die blitzsaubere Auffahrt zwischen zwei Grundstücken, von einem ferngesteuerten Gittertor verschlossen, ließ bis auf eine kleine Messingtafel neben dem Klingelknopf nicht vermuten, dass sie zu einer exklusiven Privatklinik gehörte.
Das Tor schwang auf, und Beaulieu steuerte den gemieteten Mercedes schweigsam durch eine Allee aus Palmen und blühenden Oleanderbüschen. Der Captain war offenbar kein Mann vieler Worte. Er hatte seit dem Radisson Hotel keine fünf Sätze gesprochen. Das ließ Finch Zeit, seine Gedanken zu ordnen und seine Fragen zu formulieren. Immer noch vorausgesetzt, Amina Mokhtar war überhaupt gesundheitlich in der Lage, sie zu beantworten.
Die Männer auf dem Gang vor dem Krankenzimmer hätte Finch glatt übersehen, wenn der Captain nicht unvermittelt in eine der dunklen Nischen getreten wäre und ein paar Worte mit ihnen gewechselt hätte.
»Gehen Sie ruhig hinein, Mr. Finch«, sagte Beaulieu über die Schulter zu Finch. »Dr. Mokhtar wird sich freuen, Sie zu sehen. Ich komme dann später nach, wenn Sie möchten. So lange …«
»… minimieren Sie hier das Risiko«, unterbrach ihn Finch und stieß die Tür zum Krankenzimmer auf. Am Kopfende des Bettes von Dr. Mokhtar brannte eine einzelne Lampe, die ein gemütliches Licht verbreitete. Eine Sitzgarnitur, niedrige Tische mit Hochglanzmagazinen und modern gestylte Kleiderschränke vermittelten den Eindruck eines Luxushotels mit Zimmerservice. Auf der Couch lag Sabina Mokhtar, den Arm unter dem Kopf, und schlief.
»Lassen Sie sie schlafen«, kam eine schwache Stimme vom Bett. »Ich wollte, dass sie endlich nach Hause geht, aber sie war ein Sturkopf, wie immer. Sie wollte auf Sie warten.«
Finch trat neben die schmale Gestalt von Amina Mokhtar und legte die Hand auf ihre. »Es ist gut, dass Sie zurückgekommen sind aus dem Dunkel«, sagte er. »Ohne die richtigen Spezialisten wäre es vielleicht schlimm ausgegangen. Aber Llewellyn hat Wort gehalten.«
Als er den fragenden Blick der Patientin sah, winkte er ab. »Das erzähle ich Ihnen ein anderes Mal. Es sind seine Männer vor der Tür, die auf Sie aufpassen. Ich könnte mir keine besseren wünschen.«
»Die haben mir heute bereits einmal das Leben gerettet«, flüsterte Dr. Mokhtar und schloss die Augen. »Es war verdammt knapp. Und das alles nur wegen eines Manuskripts.«
Finch zog einen Stuhl ans Bett und setzte sich. »Chinguetti«, sagte er leise.
Dr. Mokhtar nickte fast unmerklich. »Ja, Chinguetti. Die alte Karawanen-Stadt in der Wüste, die gerade vom Sand verschluckt wird. Unaufhaltsam.«
Sie holte tief Luft und hob ihre Hand, als sie merkte, dass Finch eine Frage stellen wollte. »Lassen Sie mich einfach erzählen, dann werden Sie alles verstehen. Deshalb habe ich Sie hergebeten. Das wollte ich Ihnen bereits an unserem ersten Abend …« Sie brach ab und sah ihn hilflos an.
»Ist schon gut, ich höre zu«, beruhigte Finch sie. »Strengen Sie sich nicht zu sehr an.«
»Die Oase von Chinguetti in Mauretanien war seit jeher ein Karawanenzentrum, ein Handelsposten in der Sahara«, begann sie. »Hier sammelten sich die Pilger vor und nach ihrer gemeinsamen Reise nach Mekka. Für die Mauren war und ist Chinguetti die siebte heilige Stadt des Islams. Deshalb brachten Gläubige über Jahrhunderte hinweg besonders wichtige Schriften, die sie auf ihren Reisen erworben hatten, in die Stadt, füllten siebzehn Bibliotheken mitten in der Wüste. So entstand über Generationen eine Sammlung, die ihresgleichen sucht. Allerdings bunt gemischt: Neben einem mehr als tausend Jahre alten Manuskript über die fünf Säulen des Islam, auf Gazellenhaut geschrieben, stehen seltene Bücher, die von den Mauren aus Spanien mitgebracht wurden, oder Manuskripte, die man längst verschollen glaubte. Über die Jahrhunderte wurde der Bestand der Bibliotheken von Chinguetti immer größer. Durch die Lage am Rande des Adrar-Gebirges gab es keine Plünderungen, es verschwand nichts. Was einmal in den staubigen Regalen landete, war an einem sicheren Ort. Es blieb da für immer.«
Dr. Mokhtar griff unter das Kopfkissen und
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