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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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Zeppelins. Hinter einem modernen, aufgeräumten Schreibtisch reihte sich Monitor an Monitor, auf denen unentwegt neue Bilder der Ankunftshalle aus verschiedenen Blickwinkeln erschienen. Finch erkannte die Schlange, in der er gestanden hatte und die beiden Beamten, die unbeeindruckt von der wartenden Menschenmenge jeden Pass genau kontrollierten.
    »Ich hätte nicht gedacht, dich noch einmal hier zu sehen.«
    Der Mann in der untadeligen Uniform, der unhörbar hinter Finch durch die Polstertür getreten war und sich nun von innen dagegenlehnte, war gut einen Kopf kleiner als der Pilot und fast zierlich. Eine große Hakennase beherrschte sein fein geschnittenes Gesicht, aus dem zwei braun-schwarze Augen abgeklärt auf sein Gegenüber blickten. Sein Kopf, völlig kahl bis auf einen dünnen Kranz grauer Haare, glänzte im Vormittagslicht wie eine Billardkugel.
    »Ich auch nicht.« Finch wandte sich um und sah den schmächtigen Mann überrascht an. »Aziz, was machst du hier? Ich dachte, du wärst bereits seit langem in Pension und würdest mindestens ein Dutzend Enkelkinder auf den Knien schaukeln.«
    »Die Dinge haben sich überraschend geändert, wie du weißt, und der Militärrat brauchte rasch zuverlässige Leute.« Major Aziz Ben Assaid stieß sich von der Tür ab und ging an Finch vorbei, ohne seine Hand auszustrecken. »Ägypten ist nicht mehr das Land, das du vor fünf Jahren verlassen hast, John. Nordafrika ist im Umbruch, nein, im Aufbruch, dank der Entschlossenheit der Jugend. Kein Platz für alte Männer mit dubioser Vergangenheit.«
    »Was machst du dann hier?«, warf Finch wie nebenbei ein und ließ seinen Seesack fallen. »Wenn ich mich recht erinnere, warst du Präsident Mubarak gegenüber nicht gerade kritisch eingestellt. Wie lange bist du bereits Leiter des Immigrationsdepartments hier am Flughafen?«
    Der Major ignorierte den Einwurf geflissentlich. »Ich könnte dich umgehend wieder in den nächsten Flieger setzen und dich zurückschicken, wo immer du hergekommen bist.« Assaid war an eines der hohen Fenster getreten. »War es nicht das brasilianische Amazonasgebiet? Warum bist du nicht dageblieben?«
    »Weil ich Sehnsucht nach Nordafrika hatte und mir das Klima am Fluss nicht gutgetan hat«, grinste Finch und trat neben Assaid. Die Karren der Loader flitzten wie Ameisen über das Vorfeld. Einige Minuten lang schwiegen beide Männer und sahen einer Lufthansa-Maschine zu, die langsam an den Finger des Terminals rollte.
    »Nordafrika ist groß«, wandte der Major schließlich ein und legte die flache Hand auf die Scheibe. »Geh woanders hin, John, nach Algerien oder nach Marokko, nach Libyen oder Tunesien. Ägypten braucht dich nicht. Und die Leute auf dem Tahrir-Platz brauchen dich erst recht nicht.«
    »Piloten braucht man immer«, wandte Finch ein und zog seine Ray Ban aus der Brusttasche. »Ich war zu lange fort, und Südamerika war nicht meine Bestimmung.«
    »Ägypten ist es auch nicht.« Assaid klang endgültig. »Dein Ägypten gibt es nicht mehr. Es ist versunken, endgültig untergegangen, und ich bin versucht zu sagen, zum Glück. Du bist ein alter Mann, der einem Traum nachhängt, dem Bild eines Straßenmalers, das schon lang verwischt wurde. Vom Asphalt gewaschen durch den kräftigen Strahl der morgendlichen Straßenreinigung. Ich gebe dir einen guten Rat. Geh nach England zurück, wieder nach Hause, John.«
    »Ich bin hier zu Hause«, entgegnete Finch bestimmt und streckte sich. »Endlich. Und du wirst mich nicht daran hindern, dieses neue Ägypten zu entdecken. Ob ich endgültig hierbleibe oder nicht, das werden die kommenden Wochen zeigen.«
    »Der nächste Flieger nach London geht in zwei Stunden«, warf der Major ein. »Mach es mir leicht und kauf dir ein Ticket.«
    Finch schüttelte den Kopf. »Nicht im Traum. Das alte Continental-Savoy gibt es nicht mehr, wie ich inzwischen erfahren habe, und so hält mich nichts in Kairo. Aber die Bar des Cecil in Alexandria soll auch ganz brauchbar sein. Außerdem mag ich den Blick über die Bucht auf das Meer.«
    Assaid wandte sich ab, ging mit gesenktem Kopf langsam zu seinem Schreibtisch und ließ sich in den Sessel fallen. Dann trommelte er mit seinen Fingern auf die Tischplatte, während er den Piloten nicht aus den Augen ließ.
    »John Finch, der Tourist. Eine ganz neue Rolle. Ich kenne dich schon zu lange, um an ein Wunder zu glauben, also erzähl mir keine Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Das ist die Spezialität der Geschichtenerzähler

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