Heiß
einer Traumwelt lebte, voller Piraten und Kanonen, Segelschiffen und karibischen Inseln.«
»Es gibt schlimmere Träume«, meinte die Ärztin nachsichtig. »Warten Sie, Mr. Finch, ich gehe und hole den kleinen Schwerenöter.«
Er hörte Sparrow bereits, lange bevor die Tür aufging. »Alte Schabracke!«, kreischte der Papagei protestierend. »Alle Frauen von Bord!«. Als er Finch sah, verstummte er überrascht und trippelte nervös von einem Bein aufs andere. Dann flatterte er auf die Schulter des Piloten und saß ganz ruhig, bevor er seinen Kopf an seiner Wange rieb.
Finch lächelte verlegen. »Ich hoffe, Sie nehmen die alte Schabracke nicht persönlich«, murmelte er, beglich die Rechnung und legte noch ein gutes Trinkgeld drauf. »Manchmal sieht Sparrow nicht sehr gut, müssen Sie wissen.«
»Das will ich hoffen!« Die Medizinerin lachte fröhlich. »Sonst müsste ich ihn teeren und federn und an die Rah binden! Leben Sie wohl, Mr. Finch, und passen Sie gut auf den kleinen Piraten auf!«
Bevor Sparrow »Hängt sie!« kreischen konnte, hielt Finch ihm vorsichtshalber den Schnabel zu, schnappte mit der anderen Hand seinen Seesack, drehte sich rasch um und verließ mit großen Schritten die Quarantänestation. »Du bist eine gefiederte Blamage«, zischte er dabei dem Papagei auf seiner Schulter zu.
Aziz Ben Assaid stand etwas abseits, als Finch mit dem Papagei auf seiner Schulter die Quarantänestation verließ. Er wollte nicht gesehen werden, trat zurück in einen Seitengang und wartete, bis der Pilot durch den Ausgang in Richtung der Taxistandplätze verschwunden war.
Dann griff er zum Telefon und wählte.
26 . 4 . 1314 , westliche Sahara/Afrika
Die Männer schauten unruhig zum Himmel, während die Karawane den jahrhundertealten Pfaden folgte.
Am Horizont zeichnete sich ein hellbrauner Streifen ab, der über der Wüste zu schweben schien. Dazu war vor wenigen Minuten ein leichter Wind aufgekommen, der Schwärme von Sandkörnern vor sich hertrieb. Der Anführer der Handelskarawane, der Karwan-Baschi, ein älterer, ausgezehrter Mann mit hagerem Gesicht, raffte seinen fleckigen, fadenscheinigen Burnus enger um sich zusammen. Erst nach einigem Zögern hatte er die Marschrichtung geändert, war weiter nach Norden gezogen, in die Nähe eines ausgetrockneten Flussbetts, das schon seit Menschengedenken kein Wasser mehr geführt hatte.
Aber es würde für die nächsten Stunden Schutz bieten vor der drohenden Gefahr des fliegenden Sands.
Die Landschaft hatte sich nach und nach verändert. Je weiter sie das Meer hinter sich zurückgelassen hatten, desto intensiver waren die Farben geworden: Vom schmutzigen Graubraun der Felsen und Steine nahe der Küste zum rötlichen Gelb der Sanddünen. Hatte zu Beginn der Reise die Nähe des großen Flusses und des Meeres eine gewisse Sicherheit geboten, so lagen die schattigen Ufer und fruchtbaren Böden nun weit hinter ihnen. So weit sie sehen konnten, erstreckte sich die endlose Sandwüste, nur hie und da unterbrochen von dunklen Bergketten.
Die Karawane, die aus mehr als hundertachtzig Kamelen und vierzig Reitern bestand und neben Elfenbein und Salz auch Myrrhe und Gold transportierte, hatte sich verspätet und war sieben Tage nach der Ankunft des arabischen Passagiers der
Nuestra Señora de Aragón
an der vereinbarten Stelle eingetroffen. Doch sie war gekommen, und der Rauch der brennenden Dornbüsche, das vereinbarte Zeichen, hatte dem Mann im weißen Burnus den Weg gewiesen.
Nun waren sie bereits seit zweiundzwanzig Tagen unterwegs, und die Eintönigkeit der Dünenlandschaft wurde nur hin und wieder von Wadis und vereinzelten Oasen unterbrochen. Anfangs hatte es in den braun-grünen Savannen mit Dattelpalmen und Obstbäumen Schatten gegeben, doch mit jedem Schritt ostwärts war die Karawane tiefer in die Trockenheit und die Hitze der Wüste vorgedrungen. Als sie auf ihrer Reise durch die ersten Täler eines Gebirges gezogen waren, hatte die Kälte der Nacht die Temperaturunterschiede noch größer gemacht. Von nun an froren die Reiter unter den dünnen Decken in den Nachtstunden, am Tage allerdings war es nach wie vor unerbittlich heiß.
Angesichts des riesigen Dünenlabyrinths, hin und wieder unterbrochen von Felsformationen, bewunderte der Araber aus dem Norden den Instinkt der Karawanenleute. Sie folgten den unsichtbaren Spuren ihrer Vorfahren mit schlafwandlerischer Sicherheit, orientierten sich an der Sonne und am Stand der Gestirne, an Geländeformen
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