Heiß
und Felsfiguren.
Jeden Tag ritten sie von Sonnenaufgang bis spät in die Nacht.
Kaum sechs Stunden gönnten sie nachts den Kamelen Ruhe, bevor sie wieder aufbrachen. Langsam ließ die Kraft der Tiere nach, und der Karwan-Baschi hatte überlegt, ob er dem geheimnisvollen Fremden nicht einen Tag Ruhepause vorschlagen sollte. Andererseits, so dachte er, hatten sie den Großteil der Strecke bereits geschafft, und sobald sie die heilige Stadt und die Oase auf dem Adrar-Plateau erreicht hatten, wäre der Eilritt sowieso zu Ende. Doch jetzt kam ihnen der Sandsturm entgegen wie eine Horde wilder afrikanischer Elefanten und würde sie zu einer Pause im Schutz der alten Klippen des Guelta von Taoujafet zwingen, die vor Zehntausenden von Jahren durch den längst versiegten Fluss aus der Landschaft gegraben worden waren.
Kaum hatte die Karawane die grauschwarzen Klippen erreicht und die Kameltreiber die Tiere zum Hinlegen bewegt, erreichten sie die ersten Ausläufer des Sturms. Der Himmel verdunkelte sich, Windböen fegten durch das Flussbett und trieben Sandsäulen vor sich her. Nachdem die Tiere angeleint worden waren, suchte sich jeder einen möglichst geschützten Platz, zog das Tuch vor Mund und Nase und senkte den Kopf.
Das Warten hatte begonnen.
Mit einem gespenstischen Heulen stürzte sich der Sturm auf sie, während es noch dunkler wurde. Das Atmen fiel schwer, Sandkörner erfüllten die Luft und prasselten immer heftiger auf sie herab.
Der Fremde, der als Einziger einen weißen Burnus trug, hatte sich mit dem Gesicht zur Erde flach auf den Boden gelegt. Seine Lippen bewegten sich, und er schien zu beten. Seine Ledertasche mit dem Pergament hielt er fest umklammert.
Es war Nacht geworden, bis der Sandsturm endlich weitergezogen war, das unheimliche Tosen verstummte. Als der schweigsame Araber sich aufrichtete, den Sand aus seinen Kleidern schüttelte und sich streckte, funkelten auf einem tiefschwarzen Firmament unzählige Sterne, und die flackernden Flammen der rasch entzündeten Feuer ließen die Schatten zwischen den Klippen tanzen.
»Der Samum war gnädig«, nickte der Karwan-Baschi dankbar, »Allahu akbar.« Dann kniete er sich hin, verneigte sich gen Mekka und begann zu beten. Nach einigen Minuten erhob er sich und begann seinen Rundgang, betrachtete und untersuchte jedes einzelne Tier der Karawane aufmerksam, sprach mit den Männern. Als er sich schließlich neben dem Fremden an einem der Feuer niederließ, war er zufrieden. Sie hatten den Sturm ohne Verluste überstanden. Ein gutes Omen für die weitere Reise, dachte er und bemerkte zum ersten Mal die schwere goldene Kette mit dem auffälligen Anhänger, die der schweigsame Araber um den Hals trug. Das fein verzierte, rubinfarbene Kreuz leuchtete blutrot im Schein der Flammen.
»Ihr kommt von weit her, obwohl Ihr wie ein Sohn der Wüste ausseht«, begann er und rieb sich mit den Händen den letzten Sand aus den Augen.
Der Araber nickte gedankenverloren, antwortete aber nicht.
»Seid Ihr auf dem Weg nach Hause?«, fragte der Karwan-Baschi nach.
»Wir alle sind auf einer Reise irgendwohin«, gab der Fremde unverbindlich zur Antwort, »manchmal auf dem Rücken der Kamele, manchmal zu Fuß.« Er lächelte dünn. »Und manchmal mitten durch einen Samum.«
»Ihr müsst ein wichtiger Mann sein«, meinte der alte, hagere Anführer nachdenklich und streckte die Hände zum Feuer. »Mit der Nachricht, Euch abzuholen, überbrachten mir die Boten zwei Perlenschnüre, die eines Kalifen würdig wären.« Bei diesen Worten griff er in seinen Burnus und zog etwas umständlich einen unscheinbaren Lederbeutel hervor, den er öffnete. »Seht selbst. Viel zu kostbar für einen einfachen Umweg.«
Der Araber winkte ab. »Behaltet sie, mein Freund. Eure Ehrlichkeit rührt mich und zeichnet Euch aus. Mein Auftrag ist wichtig, ich bin es nicht. Wir Menschen, der Reichtum und der Ruhm sind vergänglich, das Wissen jedoch überlebt die Fährnisse der Zeit.«
Das Feuer vertiefte die Furchen im Gesicht des Karwan-Baschi, als er stumm in die Flammen schaute und über die Worte des Fremden nachdachte. Ein Ast knackte laut, und Funken sprühten meterhoch in den schwarzen Himmel über dem Flussbett.
Mit einem Blick zum Himmel legte der Araber die Hand auf das Kreuz und schloss die Finger um den Anhänger. »Bringt mich sicher an mein Ziel, und ich verdoppele Euren Lohn.«
Der Karwan-Baschi sah ihn überrascht an und schüttelte dann entschieden den Kopf. »Ihr schuldet
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