Heiß
in den Bazaren. Scheherazade ist hier nur mehr eine ferne Erinnerung, deine Abenteuer allerdings sind Legende, und das beunruhigt mich. Also, was genau hast du in Ägypten vor?«
»Fliegen«, antwortete Finch lakonisch. »Dazu brauche ich ein Flugzeug, aber das wird sich finden – Inschallah.«
»Wie wäre es mit einem Flugzeug nach London?«, versuchte es der Major erneut, dann zuckte er mit den Schultern. »Wie du willst. Mach von mir aus Urlaub im Cecil, auf den Spuren deiner Landsleute Somerset Maugham, Agatha Christie und Winston Churchill. Genieß die Bar und die Terrasse, den Blick aufs Meer und die Sonne.« Er legte die Fingerspitzen aneinander und sah Finch durchdringend an. »Und dann, dann verschwindet der Tourist John Finch wieder.«
»War nicht Al Capone auch Gast im Cecil?«, erkundigte sich Finch und warf Assaid einen unschuldigen Blick zu. »Und hatte nicht der Britische Secret Service während des Krieges eine ganze Suite als Operationsbasis gebucht? Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr glaube ich, dass das Cecil genau der richtige Platz für mich ist.«
Der Major streckte auffordernd die Hand aus. »Gib mir deinen Pass. Ich stelle dir ein Touristenvisum aus, beschränkt auf zwei Wochen und keinen Tag länger. Dann möchte ich dich außer Landes wissen, sonst lasse ich dich auf die Liste der unerwünschten Personen setzen. Die Staatssicherheitsbehörde ist zwar seit einem Monat aufgelöst, aber ich finde dich schon.«
»Papier ist geduldig«, gab Finch gleichmütig zurück und reichte Assaid seinen Pass. »Hier bin ich zu Hause, auch wenn du das anscheinend vergessen hast. In den engen Gassen der Suks und den Dünen der Sahara oder den Hochtälern des Atlas kannst du nach mir suchen bis zum jüngsten Tag, das weißt du ganz genau.« Er machte eine Pause und sah dem Major versonnen zu, als der einen Stempel und seine Unterschrift in das Reisedokument setzte. »Erinnere dich, Aziz. Ihr habt einst von Ali auch keine Spur gefunden, allen Anstrengungen und dem Einsatz professioneller militärischer Suchtrupps zum Trotz.«
Assaid hob den Kopf und warf Finch einen warnenden Blick zu. »Soviel ich weiß, hast du dich auch an der Suche beteiligt, bist damals geflogen und mit leeren Händen wieder nach Kairo zurückgekommen.«
»Vielleicht haben wir alle an der falschen Stelle gesucht«, wandte Finch ein. »Dein Bruder hatte sich auf den Weg gemacht, ohne jemanden einzuweihen. Er war jung und unbekümmert wie wir alle, und das Adrar-Gebirge ist groß.« Der Pilot nahm seinen Pass von dem leeren Schreibtisch und steckte ihn ein. Dann lehnte er sich vor und tippte auf die Schreibunterlage, die eine Generalstabskarte von Ägypten war. »Ich habe oft an ihn gedacht, weil mir sein Verschwinden lange keine Ruhe gelassen hat. Ali war ein archäologisches Genie, ein Eigenbrötler und ein unverbesserlicher Geheimniskrämer. Rechne zu seinen Forschungen noch die Wüste und die unwirtlichste Steinlandschaft der Welt dazu, und du hast ideale Voraussetzungen dafür, jemanden bis zum Jüngsten Tag zu suchen.«
Der Major schwieg. Eine Maschine der EgyptAir startete mit donnernden Triebwerken und verschwand in den blauen Himmel.
»Das ist lange her«, sagte Assaid schließlich leise, als der Lärm verklungen war. »Mein Bruder ist seit Jahrzehnten tot. Die Zeit ist über Ali hinweggezogen. Und auch über uns.«
»Alles fürchtet sich vor der Zeit, aber die Zeit fürchtet sich vor den Pyramiden«, erwiderte Finch. »Ein altes, aber wahres Sprichwort.«
»Pass auf dich auf«, stellte Aziz entschlossen fest und erhob sich. »Vierzehn Tage, John, und keinen Tag länger. Viel Spaß in Alexandria.«
Die Veterinärmedizinerin in ihrem weißen Mantel und dem blinkenden Namensschild warf einen Blick auf das Papier, das John Finch ihr gereicht hatte, und es kam dem Piloten so vor, als lese er Erleichterung in ihren Augen.
»Sie holen den Papagei ab?«, erkundigte sie sich hoffnungsvoll. »Kerngesund und fit wie ein Turnschuh, hört auf den Namen Sparrow? Allerdings …«
»Ja?«, erkundigte sich Finch mir gerunzelter Stirn.
Die Ärztin lächelte schelmisch. »Wir mussten ihn in einer eigenen Voliere unterbringen. Er ist nicht gerade sozial, wenn es um Artgenossen geht und redet wie ein Wasserfall. Wo hat er bloß diese Ausdrücke her?«
»Äh, ich habe ihn zu mir genommen, weil sein ursprünglicher Besitzer gestorben ist«, erklärte Finch und schmunzelte. »Es war ein alter Mann, der jahrzehntelang in
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