Heiß
mir nichts, Effendi, gar nichts, und ich möchte, dass Ihr das wisst. Der Großvater meines Vaters führte bereits Handelskarawanen vom Meer zu den Märkten, wie auch alle meine Brüder. Für Perlenketten wie diese wären sie Euch jahrelang zu Diensten gewesen.«
»Wer bin ich, einen freien Mann zu kaufen?«, entgegnete der Araber lächelnd. »Ein Geschenk jedoch kann auch der Falke annehmen.« Damit erhob er sich und klatschte in die Hände. »Lasst uns aufbrechen, wenn Ihr nichts dagegen habt. Wie viele Tagmärsche liegen noch vor uns?«
»Fünf, wenn wir Glück haben, sieben, wenn wir wegen der erschöpften Kamele langsamer reiten müssen.«
»Die Tiere hatten ein paar Stunden Ruhe«, meinte der Fremde nur und klopfte den Sand aus seinem Burnus. Dann trat er ein paar Schritte zur Seite, blickte hoch zu den Sternen, als suche er etwas. Schließlich wies er mit ausgestreckter Hand nach oben. »Seht Ihr? Seit zwei Tagen begleitet uns der Komet, wie ein treuer Weggefährte.«
»Ein gutes oder schlechtes Omen in Euren Augen?«, fragte der Karwan-Baschi und sah den Fremden durchdringend an.
Der Araber wandte den Blick ab, überlegte kurz, schüttelte den Kopf und ging dann schweigend davon.
Am Abend des sechsten Tages erreichten die ersten Kamele die heilige islamische Stadt und die Oase, geschützt und verborgen zwischen den riesigen Dünen, an einem Kreuzungspunkt uralter Karawanenstraßen am Fuße der Berge. Zwischen den Häusern und Moscheen, den Lagerschuppen und prächtigen Handelsniederlassungen wuchsen Dattelpalmen, Obstbäume und üppige Büsche. Die lehmverputzten Wände leuchteten im letzten, rötlichen Abendlicht. Hie und da flackerten Feuer auf und neugierige Augen beobachteten die Reiter auf ihren brüllenden Kamelen, die das Wasser rochen und nach dem langen Weg durch die Wüste nur noch trinken wollten.
»Wir werden einen ganzen Tag rasten und dann weiterziehen«, entschied der Karwan-Baschi und nickte dem Fremden zu, der seine Ledertasche über die Schulter geworfen hatte und sich nun suchend umblickte. »Wollt ihr Euch uns später anschließen und weiterreisen, nachdem Ihr Euren Auftrag hier erfüllt habt? Unser Ziel ist Mekka, wie Ihr wisst.«
Der Araber schüttelte den Kopf und verneigte sich höflich. »Habt Dank für alles, doch mein Weg führt in eine andere Richtung. Möge Allah mit Euch sein.«
Damit legte er die Hand auf die Brust, verabschiedete sich und überquerte einen der zahlreichen kleinen Marktplätze. Nachdem er spielende Jungen nach dem Weg gefragt hatte, bog er in einen schmalen Hof zwischen zwei Häusern ein, folgte einer Mauer aus Trockensteinen und kam schließlich zu einem Haus mit reich verziertem Eingang, der mit einer grob behauenen Holztür verschlossen war. Als er den Riegel zurückschob, eintrat und sich umblickte, wusste er mit einem Mal, dass er an der richtigen Stelle war.
Das Ende seiner Reise war gekommen.
Die ockerfarbenen Mauern des niedrigen Raumes wurden von einem halben Dutzend Öllampen erleuchtet, die auf dem Boden verteilt standen. Steinregale, uneben und ungleichmäßig entlang der Wände angeordnet, waren mit Schriftstücken bis auf den letzten Platz gefüllt. Roh gezimmerte Kisten waren bis unter die geweißten Balken der Decke gestapelt. Einige Truhen standen offen, und Rollen von Pergamenten und beschriebener Gazellen- und Antilopenhaut lugten unter den Deckeln hervor.
Der Fremde ließ sich auf eines der herumliegenden Kissen sinken und schloss die Augen. Er spürte, wie die Müdigkeit sich in seinem Körper ausbreitete, wie die Strapazen der Reise ihren Tribut forderten. Als wenige Augenblicke später ein ganz in schwarz gekleideter Mann mit langem Bart einen schweren Vorhang zurückschob und den Raum betrat, löste der Reisende die Lederschnur um seinen Hals und legte den Beutel behutsam vor sich auf den Teppich. Die Kette mit dem blutroten Kreuzanhänger funkelte im Licht der Kerzen, als er sie ebenfalls abnahm und auf das braune, etwas abgeschabte Leder legte.
Dann begann er sein Anliegen vorzutragen.
Die Feuer waren längst heruntergebrannt, die Gassen zwischen den niedrigen Häusern menschenleer, als der Araber langsam im Schein des zunehmenden Mondes die Oase verließ und begann, den Abhang der ersten Düne hinaufzusteigen. Sein weißer Burnus leuchtete im Mondlicht auf seinem Weg in die Nacht. Mit bedächtigen Schritten ging er immer weiter, stumm im Gebet vertieft, stets geradeaus.
Stunde um Stunde.
Als ihn
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