Heiß
Von drinnen waren Schreie zu hören, dann explodierten die Aufschlagzünder, und das gesamte Bauwerk schien zu wanken. Wände wurden nach außen gesprengt, Fenster und Türen zerstoben in einer Kaskade aus Glasscherben und Holzstücken, die wie Schrapnelle mit tödlicher Wucht durch die Räume pflügten. Dann explodierte die Gasleitung, und ein Feuerball riss das Dach des Hauses weg, schleuderte es zur Seite und knickte die Stahlträger wie Streichhölzer. Einem Kartenhaus gleich stürzte das Gebäude in sich zusammen und begrub zehn Menschen unter meterhohem Schutt.
Bevor das Echo der Detonationen von den hohen Bergen zurückgeworfen wurde, sprangen die vier Männer bereits wieder in ihren Jeep und rasten dem Fluss entlang davon, eine lange Staubfahne hinter sich her ziehend. Wie vereinbart sprach ihr Anführer ein einziges Wort in sein Funkgerät, dann schaltete er es ab.
Das Problem Shabbir Salam war gelöst.
Die rasch aufeinanderfolgenden Explosionen ließen die Scheiben in der Polizeistation erzittern, und der Chief Inspector, der dem Gouverneur in Peschawar den Fall Shah Juan schilderte, unterbrach sich und sprang auf. Mit einem: »Ich melde mich wieder!«, beendete er hastig das Gespräch und stürzte aus seinem Büro. Eine blasse Kala sah ihm ratlos entgegen.
Jemand versuchte, die Tür zum Vorzimmer zu öffnen und hämmerte mit der Faust gegen das Holz, als er bemerkte, dass sie versperrt war. Gleichzeitig begannen zwei Telefone zu schrillen. Auf dem Hof ertönten laute Schreie, dann Befehle und die Sirene eines ersten Polizeifahrzeugs, das ausrückte.
Salam riss das Fenster auf und beugte sich hinaus. Eine schwarze Rauchwolke stand über der östlichen Vorstadt, immer wieder erleuchtet von Flammen, die Dutzende Meter hoch in den Himmel schossen. Er wollte seinen Platz am Fenster schon verlassen und hörte einen seiner Beamten an die Tür hämmern und dabei »Chief! Chief!« schreien. Da stutzte er, es traf ihn wie ein Keulenschlag, und er drehte sich um, schaute nochmals hinaus, hinüber zu der Feuersäule, die direkt aus der Hölle zu lodern schien.
»Nein«, flüsterte er, »nein …«
Tränen rannen über seine faltigen Wangen, und er schloss verzweifelt die Augen, wollte das furchtbare Bild auflösen, wegwischen wie einen schlechten Traum. Als er die Augen wieder öffnete, wusste er, dass nichts mehr so war wie bisher.
Der Krieg hatte begonnen.
Siemens-Gasturbinenwerk, Berlin-Moabit/Deutschland
Die Sekretärin der Geschäftsleitung war blond, schlank und strahlte Effizienz aus. Thomas Calis war angenehm überrascht. So stellte er sich eine Fee vor, die vor wenigen Minuten dem neuesten Modejournal entstiegen war, um ihm rechtzeitig seine Wünsche von den Augen abzulesen.
Doch offensichtlich schien auch diese Fee spät schlafen zu gehen.
»Kommissar Calis, Thomas Calis?«
Sie warf einen prüfenden Blick auf den Mann vor ihr und dann auf die Visitenkarte, die sie mit spitzen, manikürten Fingern hielt.
»Ich kenne Sie doch. Waren Sie nicht heute Nacht im Fernsehen? In den Nachrichten?« Ihre Mundwinkel bewegten sich zu einem spöttischen Lächeln nach oben. Glücklicherweise öffnete sich in diesem Moment die Tür des Chefbüros, und ein untersetzter Mann mit hochgerollten Hemdsärmeln und der Club-Krawatte auf Halbmast rettete Calis vor weiteren peinlichen Fragen.
»Sind Sie der Beamte der Mordkommission?«, erkundigte er sich neugierig und streckte seine Hand aus. »Waltke, Martin Waltke. Ich halte hier die Produktion am Laufen und zugleich zehn Finger auf fünfzehn Löcher.« Der feste Händedruck Waltkes verriet, dass er bei Bedarf sicher mit anpacken konnte und es auch tat. Er grinste ein wenig lausbübisch und machte eine einladende Handbewegung. »Kommen Sie in mein Büro. Möchten Sie Kaffee?«
»Ich möchte vor allem Ihre Sekretärin nicht über Gebühr von ihren üblichen Tätigkeiten abhalten«, wehrte Calis mit einem süffisanten Lächeln an die Adresse der Blondine ab. Am Aufblitzen ihrer Augen erkannte er, dass die Retourkutsche angekommen war. »Mir läuft außerdem die Zeit davon, und deshalb werde ich Sie nicht lange in Beschlag nehmen.«
»Es tut mir leid, dass der Anlass kein erfreulicherer ist«, stellte Waltke fest und schloss die Bürotür hinter Calis. »Ich bin ziemlich erschüttert. Kurt Tronheim war ein zuverlässiger Mitarbeiter, seit langen Jahren bei uns beschäftigt. Es gab nie Probleme mit ihm.«
»Er begegnete eindeutig einem auf dem Heimweg«, meinte
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