Heiß
im Morgengrauen aus dem Nichts auftauchte, unvermittelt ausschwenkte und vor ihm quer über die Fahrbahn rollte.
Er hatte erwartet, dass jeden Augenblick sein Handy klingeln würde, aber es blieb stumm. Er wusste nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war.
Als er wenig später vor dem Polizeihauptquartier anhielt und ausstieg, sahen die beiden bewaffneten Wachposten überrascht auf ihre Uhren und musterten den Chief Inspector dann misstrauisch. War etwa eine Übung im Busch, von der sie nichts wussten?
Doch Salam salutierte nur kurz, nickte ihnen zu und lief die Treppen hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Um diese Zeit waren die Flure der Polizeistation noch leer, und es roch nach abgestandenem Rauch und Bohnerwachs.
Die Tür zu seinem Vorzimmer war seltsamerweise nur angelehnt, und Salam stieß sie vorsichtig auf. Eine verschlafen wirkende Kala blickte ihm schuldbewusst entgegen. Sie saß vor einem hohen und einem niedrigen Stapel von Ordnern und versuchte ein System in die Hunderte von Bewerbungen zu bringen.
»Sie sind früh dran, Chief«, lächelte sie entschuldigend, griff nach ihrer Tasche und stand auf. »Ich dachte, ich hätte noch etwas Zeit, bevor Sie hier …«
»Bleiben Sie hier, Kala«, unterbrach sie der Chief Inspector, »und vergessen Sie die Rekrutierungsaktion für den Moment. Nehmen Sie Ihren Block und kommen Sie in mein Büro. Und schließen Sie das Vorzimmer ab.«
Kala schaute dem Chief Inspector alarmiert nach, wie er in seinem Büro verschwand. Dann versperrte sie rasch die Türe und eilte ihm nach.
Salam hatte bereits das Gummiband seines alten Notizbuchs gelöst und blätterte suchend darin. »Kala, fragen Sie nach, wo der Untersuchungsbericht vom Tatort bleibt, warum die Obduktionsergebnisse noch nicht vorliegen, versuchen Sie den Chief Minister der Provinz Peschawar zu erreichen, und sollte er nicht da sein, noch schlafen oder von seinem Büro verleugnet werden, dann den vom Präsidenten eingesetzten Gouverneur, Shah Abdul Beg.«
Endlich fand Salam die richtige Seite.
»Legen Sie mir die Gespräche auf meine Leitung in …« Er schaute auf die Uhr. »… in fünfzehn Minuten. Bis dahin nehmen Sie keine Telefonate an, öffnen niemandem die Tür, wirklich niemandem.«
Er schaute Kala ernst an. »Auf meine Verantwortung.«
Die Sekretärin schluckte und nickte verwirrt, bevor sie ins Vorzimmer verschwand und leise die Tür hinter sich zuzog.
»Ratten«, zischte Salam zwischen den Zähnen und begann zu wählen. Die Nummer war eine andere, das System der Klingelzeichen das gleiche. Diesmal meldete sich die Tenorstimme sofort mit einem etwas verschlafen klingenden »Ja?«.
»Phönix. Hier brennt es, und ihr schlaft tief und fest.« Nur mühsam konnte Salam seinen Zorn zurückdrängen.
»Wie soll ich das verstehen?«, erkundigte sich die Stimme vorsichtig. »Auf welche Tretmine bist du diesmal gestiegen?«
»Und wenn es ein streng geheimer Militärhelikoptereinsatz gewesen wäre? Mit vorbereitetem Treffpunkt im Hochtal, einem schwer bewaffneten Einsatzkommando – und jetzt kommt’s: Unser Militär hat eine Anforderung erhalten, und nein, sie kam nicht von der ISI .« Salam klopfte mit dem Stift auf die Tischplatte. »Was bleibt ist ein verstümmelter Toter, Ölflecken, die Spuren chinesischer Reifen im Sand und ein deutsches Kaugummipapier.«
»Woher weißt du das?«
»Meine Sache«, gab Salam kurz angebunden zurück.
»Vertrauenswürdig?«
»Absolut und jetzt wahrscheinlich bereits tot.«
Die Stille in der Leitung dehnte sich wie ein Bungee-Seil.
»Das klingt nicht gut«, murmelte schließlich Salams Gesprächspartner.
»Es wird noch schlimmer«, gab der Chief Inspector zurück. »Sie haben meine private Telefonnummer. Ich war der Letzte, mit dem er telefoniert hat.«
»Scheiße«, fluchte die Tenorstimme, und es klang ehrlich alarmiert. »Wir werden versuchen, so schnell wie möglich den Ursprung der Anforderung herauszufinden.«
»Dann lernt ihr besser zaubern«, konterte Salam. »Alle Aufzeichnungen wurden vernichtet, die Flugdaten von den Computern gelöscht. Die ISI hat die höchste Sicherheitsstufe verhängt und den Deckel über die Affäre gestülpt. Offiziell hat es den Hubschrauber nie gegeben, wer immer auch an Bord war.«
»Nicht alle Quellen im Militärapparat sind dicht und unbestechlich«, wandte sein Gesprächspartner ein. »Aber andererseits haben wir keinerlei Beweise, bis auf einen verbrannten Toten und ein paar
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