Heiß
Spuren.«
»Nur
einen
Toten? Wie viele brauchst du eigentlich, um zu begreifen, dass hier ein abgekartetes Spiel läuft, von dem wir nur einen winzigen Teil sehen?«, ereiferte sich der Chief Inspector. »Wer immer in den Hindukusch geflogen kam, er ist gekommen, um zu töten. Und unser Militär hat den willigen Handlanger dabei gespielt, egal, welche Auswirkungen das auf die Grenzprovinz hat. Was kümmert uns die Lunte am Pulverfass, wenn wir zahlende Mörder mit Streichhölzern einfliegen?«
»Übertreibst du nicht ein wenig?«
»Ganz sicher sogar«, meinte Salam zynisch. »Soll ich dich daran erinnern, dass südlich von uns Tausende von Quadratkilometern entlang der Grenze zu Afghanistan in der Hand von Stammesfürsten sind und als so unregierbar gelten, dass sie der Bundesverwaltung direkt unterstellt wurden? Dass dort Polizei, Militär und selbst Eliteeinheiten keinen Auftrag haben, weil die totale Anarchie herrscht? Wir halten hier in der Provinz ein wackeliges Gleichgewicht, das man gelinde ausgedrückt als prekär bezeichnen kann. Ich könnte dir ein Dutzend Gruppierungen aufzählen, die nichts anderes im Sinn haben, als auch die Nordwest-Provinz ins Chaos zu bomben. Damit wäre mehr als die Hälfte der Grenze nach Afghanistan ein unkontrollierbares Niemandsland, das die Taliban und andere Extremisten nach Belieben durchqueren könnten. Und ich übertreibe? Shah Juan war einer jener aufrichtigen und loyalen Männer, die persönlich für dieses Gleichgewicht einstanden.« Der Chief Inspector machte eine Pause. Dann fuhr er gefährlich leise fort: »Habt ihr eure Finger etwa auch in dieser Sache? Dann sag es mir besser jetzt.«
»Nein, haben wir nicht, das kann ich dir garantieren«, versicherte ihm die Tenorstimme prompt. »Die MI wusste nichts davon, bevor du gestern angerufen hast. Aber ich muss gestehen, seither sind wir nicht gerade mit Riesenschritten weitergekommen.«
»Uns läuft die Zeit davon, vor allem nach dem Anruf heute Morgen«, gab Salam zu bedenken. »Es würde mich nicht wundern, wenn es bei dieser Kommandoaktion noch eine hochpolitische Ebene gäbe, sozusagen ein Trittbrett für Putschisten.«
»Wie meinst du das?«, fragte sein Gesprächspartner alarmiert.
»Nun, der Ruf nach einer starken Hand erschallt immer dann, wenn die Situation zu eskalieren droht«, erinnerte ihn Salam. »Ein kraftloser Staatsapparat verlangt nach einem schlagkräftigen Militär, und im Gegenzug kann ein entschiedener Putsch die Macht rasch in die Hände der Männer im Tarnanzug legen. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte …«
»… und sicher nicht das letzte, du hast recht«, gestand ihm der Mann am anderen Ende der Leitung zu. »Versuch auf jeden Fall, den Mord an Shah Juan aus den Medien herauszuhalten, solange es geht. Das verschafft uns einen kleinen Vorsprung.«
»Schon veranlasst, aber machen wir uns keine Illusionen«, erwiderte der Chief Inspector grimmig. »Wir leben im Zeitalter des Internet, von E-Mail, Twitter und Facebook, und die Bürger dieses Landes haben mehr Fernseher als Radios. Eine wirksame Nachrichtensperre war gestern.«
Die vier Männer in dem tarnfarbenen Jeep waren schwer bewaffnet und hatten ihre Gesichter mit Tüchern bis auf schmale Sehschlitze verhüllt. Sie trugen die traditionelle Kleidung der Talibankämpfer, mit Turban und militärischer Weste über dem landesüblichen Salwar Kamiz. Der Geländewagen raste durch die Nebenstraßen, mit aufgeblendeten Scheinwerfern und heulendem Motor; die Männer mussten sich festhalten, um nicht hinausgeschleudert zu werden.
Als der Jeep vor dem grauen Plattenbau anhielt, der das Ziel der Männer war, sprangen die Bewaffneten aus dem Wagen, holten die russischen Granatwerfer von ihren Schultern und legten an. Ihr Anführer schaute erst auf die Uhr und dann auf den kleinen Parkplatz vor dem Mehrfamilienhaus.
Der verbeulte Isuzu stand an seinem gewohnten Platz.
Der Kämpfer nickte zufrieden, legte an und drückte ab. Mit einem bösartigen Zischen zog der Gefechtskopf, der einer Aerosolbombe nachgebaut worden war, seine Spur durch den Morgen und schlug in ein großes Fenster im ersten Stock ein. Das Gemisch aus Brennstoff und Luft verteilte sich blitzartig und explodierte großflächig. Eine sengende Hitzewelle jagte durch das Stockwerk, eine Feuerwand, die in Sekunden alles auffraß, was sich ihr in den Weg stellte.
Die anderen drei Männer feuerten zeitgleich je zwei Granaten in das Erdgeschoss und den obersten Stock.
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