Heiß
Bibliothek von außen«, rief sie mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete, »dann werden wir von Direktor Serageldin erwartet.« Die Männer in Weiß nickten folgsam, während das Telefon aufgab und das Klingeln verstummte. »Das markanteste Merkmal der Bibliotheca Alexandrina ist das zum Meer hin geneigte scheibenförmige Glasdach mit einem Durchmesser von hundertsechzig Metern, dessen Oberfläche oft mit der aus dem Meer aufgehenden Sonne verglichen wird. Alle Fenster in diesem Dach sind nach Norden ausgerichtet. So fällt kein direktes Licht ins Gebäude. Wenn Sie das Gebäude aus der Luft sehen, dann ist es das Abbild der ägyptischen Hieroglyphe für Sonne.«
John Finch blieb stehen und folgte mit den Augen der ausgestreckten Hand der jungen Frau. »Mit dem Bau wurde 1995 nach den Plänen eines norwegischen Architektenteams begonnen. Sechs Jahre später, im Oktober 2002 , fand die feierliche Eröffnung statt. Die Baukosten betrugen insgesamt zweihundertachtzehn Millionen US -Dollar, was angesichts der Armut und des hohen Anteils an Analphabeten in Ägypten ziemlich harsche internationale Kritik auslöste.«
Ein nachsichtiges Lächeln spielte um die Lippen der arabischen Gäste.
Ihre Begleiterin wandte sich um und wies auf die monumentale graue Granitmauer über ihrem Kopf. »Die halbrunde Südfassade ist zweiunddreißig Meter hoch, fensterlos und aus mehr als dreitausend grauen Steinplatten gefertigt, die aus der Gegend von Assuan hierhergebracht wurden. Wenn Sie genauer hinsehen, werden Sie bemerken, dass sie über und über mit Zeichen aus allen Schriften der Welt bedeckt sind. Das soll den Anspruch der Bibliothek, das Wissen der Welt zu sammeln, dokumentieren. Außerdem folgt die Krümmung der Außenwand der Bahn der Sonne. So werden im Laufe des Tages die einzelnen Segmente der Mauer nacheinander vom Sonnenlicht bestrahlt.«
Anerkennendes Nicken.
»Das ganze Ensemble besteht aus drei unabhängigen Bauten: der Bibliothek, einem Konferenzzentrum, in dem die Tagung stattfinden wird, und einem achtzehn Meter hohen schwarzen kugelförmigen Planetarium.« Die junge Frau wies auf das abgestürzte Begleitschiff. »Darunter befindet sich ein Museum für Unterwassermonumente, die im östlichen Hafen von Alexandria entdeckt wurden. Alle drei Gebäude grenzen an den sogenannten ›Platz der Kulturen‹, auf dem wir hier stehen.« Sie blickte wieder auf die Uhr. »Lassen Sie uns in Richtung Eingang spazieren, es bleibt nicht mehr viel Zeit.«
Finch musste grinsen. Kein Zweifel, da hatte jemand die arabischen Besucher voll im Griff. Sponsorengelder hin oder her.
»Auch wenn es nicht so aussieht, das Gebäude der Bibliothek selbst hat elf Stockwerke, von denen vier unterirdisch angelegt sind«, führte die junge Frau weiter aus, während sie mit einer umfassenden Armbewegung sicherstellte, dass sich alle Mitglieder der Reisegruppe folgsam in Bewegung setzten. Ihr Telefon begann wieder zu läuten, aber erneut ignorierte sie es standhaft. »Dadurch steht den Besuchern und Mitarbeitern eine Grundfläche von mehr als fünfundachtzigtausend Quadratmetern zur Verfügung. Rund die Hälfte des Bibliotheksgebäudes wird von dem Lesesaal eingenommen, der über insgesamt zweitausend Leseplätze verfügt und damit der größte der Welt ist. Sein Mobiliar wurde eigens für die Bibliothek entworfen und zum Teil von der norwegischen Regierung gestiftet.«
»Wie viele Bücher sind derzeit im Bestand?«, wollte einer der arabischen Konferenzteilnehmer wissen.
»Die Bibliothek eröffnete mit etwas mehr als zweihunderttausend Bänden, fünf Jahre später waren es bereits fünfhundertdreißigtausend Titel. Ziel ist ein Bestand von fünf bis acht Millionen Büchern im Jahr 2020 , aber angesichts der begrenzten finanziellen Mittel …« Sie nickte den Männern, die neben ihr gingen, auffordernd zu. »Buchspenden werden gerne entgegengenommen.«
Finch schlenderte hinter der Gruppe her und lauschte interessiert den Ausführungen der jungen Frau.
»In der Bibliothek befinden sich auch noch zwei weitere Museen«, sagte sie. »Das Archäologische Museum und das Manuskriptenmuseum, das alte Handschriften und seltene Bücher präsentiert. Angeschlossen sind ein Mikrofilmarchiv mit Fotografien alter Manuskripte und ein Forschungszentrum für die Restaurierung alter Handschriften.«
Das war das Stichwort für Finch. Der Pilot schaute auf seine Uhr und beschleunigte die Schritte. Nur mehr fünf Minuten bis zum Termin mit Amina
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