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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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oder -weg. Eine Hausnummer gibt es angeblich nicht.«
    Der Mann nickte nur. Dann kratzte er sich am Kopf. »Mozart, Haydn, Humboldt«, meinte er schließlich enigmatisch.
    Calis sah ihn verwirrt an und versuchte zu verstehen.
    Der Spaziergänger seufzte. »Wir sind hier in der Beethovenstraße.« Dann schwieg er, als würde diese Feststellung alles erklären.
    »Und wie …?«, setzte Calis an, doch der Mann wedelte mit seinem Finger bereits vor seiner Nase herum.
    »Das ist nicht so einfach hier«, begann er oberlehrerhaft zu dozieren. »Wir haben zwei Beethovenstraßen, beide in unmittelbarer Nähe, beide laufen parallel. Fragen Sie mich nicht, wieso.«
    Calis wäre nie auf die Idee gekommen.
    »Von einer geht die Humboldtstraße ab. Nämlich von der anderen.«
    Der Kommissar wischte sich mit der flachen Hand übers Gesicht, um seine Verzweiflung zu verbergen.
    »Zu wem wollen Sie denn genau?«, fragte der Spaziergänger.
    »Zu einem ehemaligen Fremdenlegionär, der nun die Webseite der Legion in der Region Berlin-Brandenburg betreut«, entschied sich Calis für die Wahrheit. Hier kannten sich wahrscheinlich alle, wie in »seiner« Kleingartensiedlung »Sonntagsfrieden«. Der Kommissar verzog bei dem Gedanken leidend das Gesicht.
    »Ach, zu Maurice, soso«, bestätigte der Mann und betrachtete Calis mit neu erwachtem Interesse. In der Ferne belferte ein Maschinengewehr. »Seine Trikolore ist nicht zu übersehen. Fahren Sie hier geradeaus weiter, dann die nächste links, danach rechts, links, rechts und wieder links. Auf der rechten Seite, hinter ein paar Bäumen, ist das Lager der Legion.« Er lachte. »Da ist auch die Humboldtstraße, aber wen interessiert das schon? Maurice ist der Einzige, der da wohnt.«
    »Links, rechts, links, rechts, links und dann auf der rechten Seite?«, versuchte sich Calis zu erinnern und machte Handbewegungen wie ein Riesenslalom-Läufer.
    »Genau, genau, is aber ’n guter Kilometer«, nickte der Spaziergänger. »Und biegen Sie nicht falsch ab, sonst landen Sie am Truppenübungsplatz. Die schießen heute scharf da.«
    Mit einer entschiedenen Handbewegung holte er sein weißes Jo-Jo wieder ein. Der Pudel, der begeistert an einem Holzstapel geschnüffelt hatte, hob mit allen vieren ab und rodelte ein paar Meter durch den Sand, bevor er die Flugrichtung änderte. Aber er schien daran gewöhnt zu sein.
    Mit gesenktem Kopf und ohne Calis weiter zu beachten, trottete der Mann los, immer die Sandstraße entlang. Als der Kommissar in seinem Wagen langsam an ihm vorbeirollte, hob er kurz grüßend die Hand. Dann bog er in einen schmalen Weg ab und verschwand zwischen den Bäumen.
    Das Letzte, was Calis im Rückspiegel sah, war ein dunkler BMW , der auf den Weg einbog, und ein tief fliegender weißer Pudel.
    Die Humboldtstraße war eine Sandfahrbahn wie alle hier, mit ausgefahrenen Rinnen, die von den Reifen in den weichen Untergrund gegraben worden waren. Dichter Baumbestand links und rechts versperrte jegliche Sicht auf eventuelle Anwohner und ihre Häuser, wenn es denn welche gab. Der Kommissar begann zu zweifeln, ob er es überhaupt mit der richtigen Adresse zu tun hatte, als er über den Wipfeln auf der rechten Seite eine munter im Wind flatternde Trikolore an einem schneeweißen Holzmast erblickte. Er fuhr weiter, und allmählich gaben die Bäume den Blick auf eine Lichtung frei, die von einem niedrigen, aber langgezogenen hell getünchten Holzhaus mit Veranda beherrscht wurde. Flankiert von einer Scheune auf der einen und einer Garage mit grünen Toren auf der anderen Seite, machte das Ensemble einen gepflegten und freundlichen Eindruck.
    Vor einer rot-weißen Schranke, die die Zufahrt versperrte, hielt Calis an. Die Einheiten am Truppenübungsplatz lieferten sich derweil eine erbitterte Schlacht. Es hörte sich so an, als würde die Humboldtstraße in wenigen Minuten zum Kriegsgebiet erklärt und rücksichtslos gestürmt werden. Während er noch nach einer Gegensprechanlage oder zumindest einer Klingel suchte, um auf sich aufmerksam zu machen, öffnete sich die Tür des Hauses, und ein hochgewachsener, schlanker Mann mit Barett und Feldstecher trat unter das Vordach, warf einen Blick auf den Besucher und drückte einen Knopf. Die Schranke hob sich leise summend.
    Als Thomas Calis seinen Wagen vor eine der Garagen lenkte und abstellte, kam der Hausherr mit großen Schritten über die Grünfläche, um ihn zu begrüßen. Er war sportlich durchtrainiert, fast zwei Meter groß, und sein

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