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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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Mokhtar, und er musste noch seinen Weg durch die Bibliothek finden.
     
    Das Manuskriptenmuseum lag in einer der unteren Etagen der Bibliothek. Die Empfangsdame an der Information am Eingang hatte Finch mit einem verständnisvollen Lächeln einen Übersichtsplan in die Hand gedrückt. »Ich zeichne Ihnen den Weg bis zum Büro von Dr. Mokhtar ein, sonst verlaufen Sie sich noch«, hatte sie gemeint und leise kichernd hinzugefügt: »Sie wären nicht der Erste.«
    Doch bevor Finch sich auf den Weg nach unten machte, ignorierte er die knappe Zeit und die rote Linie auf dem Plan und warf einen Blick in den riesigen Lesesaal, der terrassenartig angelegt war und von indirektem Tageslicht durchflutet wurde. Nur wenige Plätze waren um diese Zeit schon besetzt. Die Ruhe, die dieser Raum ausstrahlte, war fast körperlich spürbar. Es schien, als sei der Geist der alten Bibliothek von Alexandria wiederauferstanden und habe sein Heim in der modernen, zukunftsorientierten und weltoffenen neuen Institution gefunden, als habe er dieses Heim bezogen, tief zufrieden darüber, nach mehr als einem Jahrtausend wieder eine Bleibe zu haben, an diesem bevorzugten Platz am Meer.
    Ein gläserner Lift brachte Finch drei Stockwerke tiefer, bevor mit einem leisen »Ping« die Türen zurückglitten und den Blick auf einen geschwungenen Korridor freigaben. John Finch konsultierte kurz den Plan in seiner Hand, dann wandte er sich nach rechts und begann, die kleinen Messingschilder neben den Türen der Büros zu studieren.
    »Suchen Sie jemanden?«, ertönte eine Stimme in seinem Rücken, und als er sich umwandte, blickte er in die neugierigen Augen eines jungen Mannes, der mit einem Stapel Bücher auf dem Arm vor einer der Türen anhielt. »Es ist nicht leicht, sich in diesem Labyrinth zurechtzufinden. Aber ich sehe, der Empfang hat Ihnen einen Plan mitgegeben.«
    Während er mit der freien Hand etwas umständlich in seiner Hosentasche kramte, sah er Finch fragend an. »Wenn ich trotzdem irgendwie helfen kann …«
    Finch nickte. »Ich suche das Büro von Dr. Mokhtar, der Leiterin des Manuskriptenmuseums«, gab er zurück, »und bin schon etwas spät dran. Wäre nett, wenn Sie mir helfen könnten, die Suche abzukürzen.«
    »Kein Problem«, erwiderte der junge Mann, der es endlich geschafft hatte, sein Büro aufzuschließen und kurz in dem kleinen Raum verschwand, um dort den Bücherturm zu deponieren. Wenige Augenblicke später stand er wieder neben Finch und wies mit der ausgestreckten Hand den Gang hinunter. »Wenn sie noch zwanzig Meter weitergehen, zweigt rechts der Weg zu den Ausstellungsräumen ab. Nehmen Sie den, aber bevor Sie durch die Glastür kommen, sehen Sie links ein kleines Schild mit einer stilisierten dampfenden Kaffeetasse neben einer Tür. Dahinter ist unsere Kaffeeküche, und ich habe Dr. Mokhtar vor drei Minuten da hineingehen gesehen. Dr. Mokhtars Sekretärin ist krank, und wir sperren alle unsere Büros ab, wenn wir im Haus unterwegs sind. Deshalb wird das eindeutig der kürzeste Weg zu Ihrem Termin sein.« Er lachte. »Sie sind ein Glückspilz. Wahrscheinlich macht sie echten Kaffee für Sie und verschmäht ausnahmsweise das Instantpulver aus dem Automaten.«
    »Eben eine Frau mit Geschmack.« John Finch nickte lächelnd und verabschiedete sich kurz angebunden, bevor er den Gang hinuntereilte. Die Tür der Kaffeeküche war nicht schwer zu finden, nur angelehnt und nach einem kurzen Klopfen trat er ein.
    Amina Mokhtar lag auf dem Boden, zusammengekrümmt, in einer riesigen Blutlache, die ständig zu wachsen schien, wie ein unaufhaltsamer Strom des Lebens, der aus ihr entwich. Finch stürzte zur Tür zurück, riss sie auf und schrie »Hilfe!« so laut er konnte. Dann kniete er sich neben die Wissenschaftlerin, hob ihren Oberkörper vorsichtig an und legte ihren Kopf in seinen Schoß. Ihr weißer Arbeitsmantel war an einigen Stellen zerrissen, aus mehreren Wunden in ihrer Brust strömte Blut.
    »Hilfe!«, brüllte Finch nochmals verzweifelt, als er die ersten Stimmen und suchenden Schritte auf dem Gang hörte. Endlich flog die Tür auf, und der junge Mann von vorhin sah sich suchend um, erblickte die Verwundete und griff sofort zum Telefon, einen Ausdruck von Panik in seinen Augen. Weitere Mitarbeiter tauchten auf und rannten sofort wieder davon, um Hilfe zu organisieren.
    Finch spürte, wie Dr. Mokhtars Körper ganz leicht zuckte. Sie schlug die Augen auf und schien durch ihn hindurch zu sehen. Doch dann, allmählich,

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