Heiße Begegnungen (German Edition)
Schultertasche den Supermarkt verließ, stand die Sonne bereits tief am Himmel. Selbst wenn sie nur die kalten Speisen ein wenig nett anrichten wollte, würde sie sich beeilen müssen.
Obwohl sie nur zwei Querstraßen weit gehen musste, rann ihr unter der dunklen Kostümjacke der Schweiß den Rücken hinunter, als sie sich ihrem Haus näherte. Die vergangenen Tage waren für Mitte April außergewöhnlich warm gewesen.
»Endlich! Ich dachte schon, Sie würden heute überhaupt nicht mehr kommen!« Jonas Thiemann stand so plötzlich vor ihr, als wäre er aus dem Boden gewachsen.
Nora atmete tief durch und sagte mit der Stimme, die sie für ihre Therapiesitzungen reserviert hatte und die ein wenig tiefer und nachdrücklicher klang als ihr Alltagston: »Wir haben für heute keinen Termin ausgemacht, Herr Thiemann.«
»Sie haben mir gesagt, wenn ich in Not sei, könne ich Sie jederzeit anrufen.« Trotz seiner siebenundzwanzig Jahre klang Thiemann wie ein nörgelnder Sechsjähriger.
»Ich sprach von einem Anruf, nicht davon, dass Sie jederzeit vor meiner Tür auftauchen können.« Nora bemühte sich nicht, ihren Unwillen zu verbergen. Es war absolut nötig, Menschen, die dazu neigten, den Willen anderer zu missachten, sehr deutliche Grenzen aufzuzeigen. »Wie haben Sie überhaupt meine Wohnung gefunden? Meine Privatadresse steht nicht im Telefonbuch.«
Thiemanns Lächeln glich einem Zähnefletschen. Seine beiden Zahnreihen waren bemerkenswert perfekt, strahlend weiß und ebenmäßig. »Sie sollten wissen, dass es für mich nicht besonders schwierig ist, herauszufinden, wo jemand wohnt. Als Lea sich die neue Wohnung gesucht hat, kannte ich schon lange vor dem Umzug ihre neue Adresse.«
Nora fröstelte. »Wir hatten besprochen, dass Sie sämtliche Aktivitäten in dieser Richtung einstellen sollten. Haben Sie mich etwa irgendwann während der vergangenen Wochen von der Praxis bis hierher verfolgt?«
Thiemann zuckte gelassen die Achseln. »Wir haben besprochen, dass ich meine Frau nicht mehr besuchen soll. Von Ihnen war nie die Rede.«
Mit einem unterdrückten Seufzer stellte Nora den Plastikbeutel, dessen Griff ihr schmerzhaft in die Finger schnitt, vor ihren Füßen ab. »Es handelt sich um Ihre Exfrau. Sie sind seit über einem halben Jahr geschieden, und Ihre Exfrau hat mittlerweile eine einstweilige Verfügung erwirkt, die Ihnen verbietet, sich ihr und ihrer Wohnung zu nähern.« Sie kam sich lächerlich vor, wenn sie Thiemann ausführlich das sagte, was er ohnehin sehr genau wusste. Aber es gehörte zur Therapie, ihm die Tatsachen immer wieder vor Augen zu halten.
»Deshalb hat sie am Freitagabend auch die Polizei gerufen. Ich hatte ziemlichen Ärger.«
Dieses Mal gab Nora sich keine Mühe, nicht aufzustöhnen. Dieser Klient war einer der schwierigsten seit der Eröffnung ihrer Praxis, was angesichts der Tatsache, dass sie sich auf Stalkingopfer, aber auch auf Täter spezialisiert hatte, wirklich etwas bedeuten wollte.
»Wundert es Sie, dass Sie Ärger bekommen haben? Schließlich sind Sie erst Anfang der vergangenen Woche von der Polizei verwarnt worden.«
»Ich will mich ja bessern, aber ich kann nicht. Ich liebe meine Frau.« Thiemanns Gesichtsausdruck wirkte eher fröhlich als bedrückt.
»Ihr Problem ist, dass Sie die Sache nicht ernst nehmen.«
»Wäre ich hier, wenn ich es nicht schrecklich ernst nehmen würde, dass Lea mich einfach so verlassen hat?« Schlagartig wurde Thiemanns Miene anklagend. »Ich kann und ich werde sie nicht vergessen. Sie hat mir ewige Liebe geschworen. Verstehen Sie – ewige Liebe? Da kann sie nicht plötzlich sagen, dass sie nicht mehr mit mir zusammen sein will. Ich weiß, dass sie mich noch liebt.«
Nora bückte sich und nahm ihren Plastikbeutel wieder vom Boden hoch. »Ich gebe Ihnen einen zusätzlichen Termin für morgen früh um acht Uhr. Dann können wir über alles sprechen.«
Acht Uhr bedeutete, dass sie spätestens um halb sieben aufstehen musste. Angesichts der Tatsache, dass Stefan erst gegen einundzwanzig Uhr kommen würde, nicht viel Zeit für einen romantischen Abend, wenn sie ihre üblichen sieben Stunden Schlaf haben wollte.
»Morgen ist zu spät!«, klagte Thiemann. »Was ist, wenn ich nachher wieder bei meiner Frau klingele? Sie sind meine Therapeutin, Sie müssen etwas tun!«
»Was soll ich tun? Ich kann Sie nicht einsperren.« Nora machte ein paar beherzte Schritte auf die Gartenpforte zu. Thiemann blieb ihr dicht auf den Fersen.
»Dann verschreiben
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