Heiße Begegnungen (German Edition)
winziges Stückchen zur Seite.
»Wovor hast du Angst?« Seine Fingerspitzen legten sich mit leichtem Druck auf den zarten Knochen ihres Schlüsselbeins.
»Vor einer schlechten Bewertung zum Beispiel?« Trotzig sah sie ihm in die Augen. »Ich muss morgen früh ein Referat halten.«
Der Gedanke, wie viel sie noch an ihrem Vortrag hatte tun wollen, machte sie unglücklich. Mittlerweile war es fast Mitternacht, und ihr Kopf fühlte sich leer und seltsam schwebend an wie ein mit Helium gefüllter Ballon.
Entschlossen nahm sie seine Hand von ihrem Körper. »Bitte, geh jetzt!«
Vom Bett aus sah sie ihm beim Anziehen zu. Seine Bewegungen waren knapp und sicher, und wenn er erneut zu ihr gekommen wäre, hätte sie ihm vielleicht ein weiteres Mal nicht widerstehen können. Doch er vermied es, auch nur in ihre Richtung zu schauen.
Zum Abschied beugte er sich nur kurz über sie, sah ihr prüfend in die Augen, legte für einen Moment die Fingerspitzen auf ihren Mund und ging dann wortlos aus dem Zimmer. Die Tür ließ er hinter sich offen.
Hungrig folgte Noras Blick ihm quer durch das kleine Wohnzimmer. Vor ihrem Schreibtisch blieb er stehen und betrachtete nachdenklich die wenigen Rosen, die noch übrig geblieben waren. Dann zog er sie aus der Vase und nahm sie mit.
Am nächsten Morgen, als Nora auf dem Weg in die Uni ihren Müll in den Container warf, sah sie zwischen all den grauen Müllbeuteln ein paar leuchtend rote Blütenblätter.
Sie verstand nicht, warum er ihr die wenigen Blumen, die von seinem Geschenk übrig geblieben waren, nicht gelassen hatte, aber es blieb ihr keine Zeit, darüber nachzudenken. Sie war eigentlich schon zu spät dran, wenn sie sich vor ihrem Referat noch ein paar Minuten konzentrieren wollte.
16. Mai 1996
Seit Wochen habe ich keinen Tagebucheintrag gemacht. Zu viel Arbeit, zu wenig Ruhe, vielleicht auch zu viele Gefühle, für die es keine Worte gab. Es ist höchste Zeit, wieder klar zu denken und zu fühlen, nicht nur angesichts meiner bevorstehenden Diplomprüfung! Dennoch war die Entscheidung, mich von Leonard zu trennen, eine der schwersten meines Lebens, obwohl sie unumgänglich war.
Die Tatsache, dass ich eine schwache Leistung in meinem Referat in Statistik abgeliefert habe, weil ich am Abend vorher entgegen all meinen Vorsätzen Sex mit ihm hatte, der mich wie immer völlig durcheinanderbrachte, war nur der Auslöser, nicht der Grund für meine Entscheidung. Ich kann und will nicht mit einem Mann zusammen sein, dessen bloße Existenz mir mein Leben entgleiten lässt.
Als ich es ihm sagte, wollte er mich nicht verstehen. Alles, was er erwiderte, war, er könne mich nach all dem, was zwischen uns gewesen sei und noch sein könne, in seinem Herzen nicht loslassen. Heute nicht, morgen nicht, vielleicht niemals. Ein Gedanke, der mir Angst macht, weil auch er sich viel zu sehr von Gefühlen beherrschen lässt.
Schon in der Tür, drehte er sich noch einmal um und sagte etwas, was ich wohl nie vergessen werde (wofür ich ihn gern hassen würde, wenn ich nur könnte): »Wenn wir wirklich nie mehr in diesem Leben zusammenfinden, was ich einfach nicht glauben will und nicht glauben kann, werde ich noch mit 80, wenn ich auf einer Bank sitzen und in den Sonnenuntergang schauen werde, an das gemeinsame Leben denken, das wir nicht hatten.«
Die Rosen, die ich am nächsten und am übernächsten Tag vor meiner Tür fand, habe ich weggeworfen. Sein Atmen und sein Schweigen am Telefon ertrage ich immer nur für wenige Sekunden und lege dann auf Ich habe Angst, dass das niemals aufhört!
1. KAPITEL
Dr. Nora Jacobi starrte ungeduldig auf das Förderband, auf dem nur noch einige wenige Koffer ihre Runden drehten. Die meisten Fluggäste der Maschine aus München hatten bereits mit ihrem Hab und Gut die Ankunftshalle verlassen.
Als ein neues Gepäckstück durch die von Kunststoffstreifen verhängte Öffnung auf das Band glitt, hob Nora aufmerksam den Kopf, um sofort darauf die Luft gleichzeitig durch Mund und Nase auszustoßen und die Fingerspitzen der rechten Hand gegen ihre Nasenwurzel zu pressen, wo es nachdrücklich zu pochen begonnen hatte. Wenn sie nicht innerhalb der nächsten Stunde eine Tasse starken Kaffee bekam, würde sich das Pochen zu einer handfesten Migräne auswachsen. Außerdem musste sie ihre Füße dringend aus den todschicken und sündhaft teuren, aber sehr unbequemen Pumps befreien, die sie sich extra für die Tagung geleistet hatte.
»Gehören Sie auch zu den Fluggästen,
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