Heiße Beute
abgeschlossen, da wäre ich beinahe mit ihm zusammengestoßen. Eine Fügung. Er sah an mir herab, ich sah ihm in die Augen, und beinahe hätte ich mir in die Hose gemacht. Wenn ich in diese Augen schaue, gefriert mir das Blut in den Adern.«
»Hat er was zu dir gesagt?«
»Nein. Er hat mich angelacht. Schrecklich. Ein Lachen, das aussieht wie ein Schlitz in einer Gesichtsmaske. Es reicht nicht bis zu den Augen. Und dann, seelenruhig, dreht er sich um und geht weg.«
»War er allein? Was hatte er an?«
»Er war wieder in Begleitung von diesem Darrow. Ich glaube, Darrow ist so ein Schlägertyp. Was Abruzzi anhatte? Keine Ahnung. Wenn der Mann zwei Meter vor mir steht, setzt mein Gehirn aus. Als würden mich diese unheimlichen Augen aufsaugen.« Lula schüttelte sich. »Buah.«
Jedenfalls wusste ich jetzt, dass Abruzzi hier war und auch, dass er zusammen mit Darrow hier war. Wieder bahnte ich mir meinen Weg durch die Menge der Pferdenarren, und ich erkannte einzelne Personen wieder. Erst strömten sie zu den Wettschaltern, dann schritten sie gemächlich zurück zu ihren angestammten Plätzen an der Bahn.
Es waren Leute aus New Jersey, die Jüngeren in T-Shirt und Jeans, die Älteren im Freizeitanzug aus Polyester und Strickhemden mit Knopfleiste. Ihre Mienen waren gespannt und ihre Körper mit einer kräftigen Schutzschicht aus tiefgefrorener Fischkost, Würstchen und Bratfett gepolstert.
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Lula sich schon wieder bekreuzigte.
Sie erhaschte meinen Blick. »Ein Trost«, sagte sie. »Die Katholen haben da echt eine trickreiche Entdeckung gemacht.«
Das dritte Rennen hatte angefangen, und Lula schoss wie eine Rakete von ihrem Platz auf. »Lauf, Damenwahl, lauf!«, brüllte sie. »Da! Men! Wahl! Da! Men! Wahl!«
›Damenwahl‹ gewann um eine Nasenlänge, und Lula war wie vom Donner gerührt. »Ich habe schon wieder gewonnen«, sagte sie. »Irgendwas ist hier faul. Sonst gewinne ich nie.«
»Warum hast du auf ›Damenwahl‹ gesetzt?«
»Das lag irgendwie nahe. Ich bin auch eine Dame, und ich musste eine Wahl treffen.«
»Hältst du dich wirklich für eine Dame?«
»Und ob!«, sagte Lula.
Diesmal folgte ich ihr von der Tribüne hinunter zum Wettschalter. Sie bewegte sich vorsichtig, sah sich um, da sie ein zweites Zusammentreffen mit Abruzzi vermeiden wollte. Ich sah mich aus gegenteiligem Grund um.
Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen. »Da ist er«, sagte sie. »Da drüben an dem Schalter für Fünfzig-Dollar-Wetten.«
Ich hatte ihn auch erkannt. Er war der Dritte in der Schlange, hinter ihm Darrow. Ich spürte, wie sich jeder Muskel in meinem Körper zusammenzog, als würde sich zwischen meinen Augäpfeln und dem Schließmuskel alles verspannen.
Tapfer marschierte ich zu Abruzzi und baute mich direkt vor seiner Fresse auf. »He«, sagte ich. »Kennen Sie mich noch?«
»Natürlich«, sagte Abruzzi. »Ihr Foto steht eingerahmt auf meinem Schreibtisch. Wussten Sie, dass Sie mit offenem Mund schlafen? Sieht sogar ziemlich niedlich aus.«
Ich wurde ganz kleinlaut, auf keinen Fall wollte ich irgendwelche Gefühle zeigen. In Wahrheit blieb mir die Spucke weg. Eine Schockwelle des Abscheus überkam mich, die mir den Magen verdarb. Ich hatte mir schon gedacht, dass er etwas zu den Fotos sagen würde, aber mit so einer Bemerkung hatte ich nicht gerechnet. »Sie plustern sich ja nur auf mit diesen idiotischen Mätzchen, weil Sie vertuschen wollen, dass Sie bei Ihrer Suche nach Evelyn nicht weiterkommen«, sagte ich. »Sie hat etwas in ihrem Besitz, das Sie haben wollen, und Sie kommen einfach nicht ran. Das ist es doch, stimmt’s?«
Jetzt war es Abruzzi, dem es die Sprache verschlug. Im ersten erschreckenden Moment befürchtete ich, er würde mich schlagen. Doch dann riss er sich zusammen, und die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück. »Was für eine kleine dumme Pute Sie doch sind«, sagte er.
»Ja«, entgegnete ich, »Ihr schlimmster Albtraum.« Na gut, das klang wie eine Zeile aus einem drittklassigen Film, aber das hatte ich immer schon mal zu jemandem sagen wollen.
»Und Ihre Hasennummer lässt mich eiskalt. Das erste Mal, als Sie Soder in meine Wohnung verschleppten, war sie ja noch ganz clever, aber jetzt ödet sie mich an.«
»Sie haben gesagt, Sie fänden Häschen süß«, sagte Abruzzi. »Mögen Sie die Tierchen nicht mehr?«
»Hören Sie auf zu spinnen«, sagte ich. »Suchen Sie sich ein neues Hobby.«
Ich machte auf dem Absatz kehrt und stolzierte
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