Heisse Liebe in eisiger Nacht
wenig zerschlagen.“
„Was meinst du mit ‚ein wenig zerschlagen‘?“
Er presste kurz die Lippen zusammen, und Genevieve wusste, noch bevor er den Mund öffnete, dass er lügen würde. Offensichtlich war Mitleid das Letzte, was er wollte. „Nichts Besonderes. Ich habe dir schon gesagt, dass ich Glück hatte.“
Sie hörte die Selbstverachtung in seiner Stimme, und plötzlich ergab alles einen Sinn. Der Eindruck eines einsamen Mannes, den er vermittelte, seine beherrschte Art, seine feste Überzeugung, dass sie ihn unmöglich lieben konnte, weil er es nicht verdiente, geliebt zu werden. „Was hast du getan?“
„Ich bin die Klippe hinaufgeklettert, um zu sehen, ob noch jemand am Leben war.“ Plötzlich klang seine Stimme völlig ausdruckslos, als ob seine Worte nicht von geringster Bedeutung wären. Genevieve kaufte es ihm keinen Augenblick ab. „All unsere Funkgeräte waren zerstört, also musste ich zuerst ins Camp zurück, um Hilfe rufen zu können.“
Er hatte gesagt, dass sie noch zwei Tage vom Camp entfernt gewesen waren. Genevieve sah ihn vor ihrem inneren Auge, wie er verletzt, wahrscheinlich schwer verletzt, durch den Busch gekrochen war, und ohne einen Kameraden, mit dem er über dieses entsetzliche Gemetzel hätte reden können. Ihr Herz zog sich zusammen, wenn sie sich seinen Schmerz und seine Verzweiflung vorstellte.
Es kostete sie große Überwindung, ihn nicht in die Arme zu nehmen und ihm mit all ihrer Kraft beizustehen. Aber sie wusste, dass er sein Trauma nur überwinden konnte, wenn er sich damit auseinandersetzte. Er hatte die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse schon viel zu lange mit sich herumgetragen. Sie holte tief Luft. „Und warum ist all das deine Schuld?“
Er verzog den Mund. „Wir hätten auf keinen Fall diesen Pfad nehmen dürfen. Irgendwie hatte ich von Anfang an das Gefühl, dass es nicht richtig war. Im Gegensatz zu der Kommandozentrale befanden wir uns vor Ort. Wenn über den Pass Terroristen aus Pakistan eingeschleust worden wären, hätten die Bewohner der Dörfer in der Umgebung darüber geredet. Einer unserer Kontakte hätte uns informiert.“
Obwohl Genevieve glaubte, die Antwort schon zu wissen, stellte sie die Frage trotzdem. „Warum hast du also nichts gesagt?“
„Habe ich doch. Aber ich hätte erkennen müssen, dass es eine Falle war, ich hätte Alarm schlagen müssen, mich sogar weigern sollen, den Auftrag auszuführen …“
„Und deine Befehle missachten?“, sagte sie ungläubig. „Das konntest du doch nicht tun. Genauso wenig hättest du damit leben können, wenn du zurückgeblieben wärst, während deine Einheit in eine Situation hineinlief, die du für gefährlich hieltst.“
„Hör mir doch einfach zu. Vielleicht hast du ja recht, aber was auf jenem Pass geschah … Es war einfach … falsch. Einheiten bewegen sich nach einem bestimmten Muster, wenn sie im Einsatz sind. Mein Platz war normalerweise vorne, aber stattdessen bildete ich die Nachhut …“
„Warum? Warst du krank oder verletzt oder so was?“
„Nein. Ich sollte aufpassen, dass … Aber das tut nichts zur Sache. Wichtig ist, dass ich nicht dort war, wo ich hätte sein sollen …“
„Und wenn du vorn gewesen wärst, was hätte das geändert?“, verlangte sie zu wissen. „Warst du so viel fähiger als der Mann, der deinen Platz übernommen hat, dass du den Angriff vielleicht verhindert hättest?“
„Nein, aber ich …“ Er hielt verwirrt inne. „Das ist nicht …“ Er unterbrach sich wieder und starrte Genevievenur fassungslos an.
„Du bist schließlich kein Hellseher, John. Wenn du es nämlich wärst, hättest du die letzten Tage nicht gefesselt in meinem Bett verbracht. Dein Instinkt hatte recht, aber es war nun mal dein Job und der deiner Einheit, genau das zu tun, was du getan hast, und in diese Gefahr hineinzulaufen, egal, was du davon hieltst. Die Verantwortung für das, was geschah, liegt nicht bei dir, sondern bei den Männern, die euch angegriffen haben, und bei deinen Vorgesetzten, die euch den Befehl erteilt haben, den Pass zu überprüfen.“
Sie konnte es nicht mehr ertragen, ihm so fern zu sein, also ging sie auf ihn zu und nahm sein Gesicht zwischen beide Hände. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut, dass du einen so fürchterlichen Verlust erleiden musstest.“ Sie dachte an ihre Trauer um Jimmy und konnte sich nicht vorstellen, wie Taggart sich gefühlt haben musste. „Aber was geschah, war nicht deine Schuld. Du bist
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