Heiße Rache, süße Küsse (Julia) (German Edition)
konnte er nichts erkennen, aber dann gewöhnten sich seine Augen an das dämmrige Licht. Das Zimmer sah genauso aus, wie er es verlassen hatte, nur – von Jesse keine Spur.
Oder doch, da! Sie kauerte auf dem Boden in einer Ecke, die Arme um die Knie geschlungen, die Stirn darauf gestützt. Er glaubte nicht, dass das ihre übliche Schmollhaltung war. Irgendetwas stimmte nicht …
Er ging zu ihr und hockte sich vor sie. „Jesse?“ Er konnte sehen, dass sie unkontrolliert zitterte, und setzte sich neben sie, den Rücken zur Wand, legte den Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. „Jesse, was ist denn?“
„Eingeschlossen … muss raus … muss Hilfe holen …“, murmelte sie abgehackt.
Luc verfluchte sich für seinen Ausbruch. Behutsam löste er ihr die Arme von den Knien und hob ihr Kinn an. Sein Magen zog sich zusammen, als er die Tränen auf ihren Wangen sah. Ihre Augen wirkten wie tot, sie starrte auf einen Punkt in der Ferne und stand eindeutig unter Schock.
„Jesse, du bist nicht mehr eingeschlossen. Die Tür ist offen. Ich bin’s, Luc. Alles ist in Ordnung. Es tut mir leid. Ich hätte die Tür nicht abschließen dürfen.“
Jesse schüttelte nur den Kopf. Das Zittern wurde stärker. „Nein, du verstehst nicht … Meine Mutter ist tot. Sie ist gestorben, und ich kann nicht raus, um es jemandem zu sagen. Er glaubt mir nicht. Ich muss Hilfe holen. Ich muss raus.“
Luc umfasste ihr Gesicht, drehte ihren Kopf sanft zu sich, damit sie ihn ansah. „Jesse, ich bin es, Luc. Nur wir beide sind hier, du und ich. Deine Mutter ist nicht hier.“
„Nein, weil sie tot ist. Er hat sie umgebracht. Er hat sie sterben lassen.“
Ihre Worte ergaben keinen Sinn für Luc. Er versuchte zu verstehen. „Wer hat sie umgebracht, Jesse?“
„Mein Vater.“
Ihre Stimme beunruhigte ihn, sie klang völlig tonlos und hart. Er erinnerte sich, dass sie gesagt hatte, sie kenne ihren Vater nicht, doch jetzt stellte sich heraus, dass das offensichtlich nicht stimmte. Sie zitterte, bebte regelrecht. In diesem Raum eingeschlossen zu sein hatte scheinbar ein Trauma aus ihrer Kindheit wieder aufleben lassen. Luc fluchte laut, doch Jesse nahm es nicht einmal wahr.
Er stand auf, hob sie auf seine Arme, trug sie ins Bad und drehte die Dusche auf. Schon bald füllte Dampf den Raum. Luc stellte sich mit Jesse unter den heißen Strahl. Er fluchte unterdrückt, als er sie ansah. Sie war weiß wie ein Laken.
Unter dem prasselnden Wasser zog er sie aus. Sie wehrte sich nicht, ließ sich behandeln wie ein gefügiges Kind. Sein Herz zog sich zusammen. Dann entledigte er sich der eigenen Sachen, nahm Jesse in seine Arme, drückte sie an sich, strich ihr über das Haar und murmelte tröstende Worte.
Er konnte spüren, wie sie aus ihrer Apathie erwachte. Ihre Lebensgeister kehrten zurück, und sie begann sich zu bewegen. Luc biss die Zähne zusammen, als sein Körper automatisch reagierte, drehte sich leicht, damit sie es nicht bemerken würde.
Er schaute sie an und stellte erleichtert fest, dass wieder Farbe in ihre Wangen zurückgekehrt war. Den Anblick, wie das Wasser über ihre festen Brüste perlte, verdrängte er tapfer.
Er stellte die Dusche ab, griff nach einem Bademantel, legte ihn Jesse über die Schultern und sah eindringlich in ihr Gesicht. „Alles wieder in Ordnung?“
8. KAPITEL
Jesse blickte Luc in die Augen. Sie konnte sich an alles genau erinnern, doch es war, als wäre es einer anderen Person passiert. In gewisser Hinsicht stimmte das sogar – denn als Luc die Zimmertür abgeschlossen hatte, war Jesse in ihre Kindheit zurückkatapultiert worden.
Als Antwort auf Lucs Frage brachte sie nur ein Nicken zustande. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie nackt mit Luc Sanchis unter der Dusche stand. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass ihre Beine sie tragen würden, und trat aus der Dusche. Ihre nassen Kleider lagen auf dem Boden.
Sie griff nach einem Bademantel, schlüpfte hinein und verknotete den Gürtel mit zitternden Fingern. Sie konnte Luc hinter sich hören, ging jedoch, ohne ihn zu beachten, ins Schlafzimmer und setzte sich auf die Bettkante. Luc blieb im Türrahmen zum Bad stehen, ein Handtuch um die Hüften geschlungen.
„Sagst du mir, was da eben mit dir passiert ist?“
Jesse schluckte und wandte das Gesicht ab. Ihre heftige Reaktion auf die Tatsache, eingesperrt zu sein, verstörte sie zutiefst. Natürlich war das immer ein Problem gewesen, aber dass ihre Vergangenheit sie hier mit solcher
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