Heiße Sonne der Verfuehrung
riss ihren Kopf bei dem leisesten Geräusch herum. Ihren Blick senkend, falls irgendjemand es wagte, sie anzuschauen, beschleunigte sie ihren Schritt. Krampfhaft hielt sie das leere Fläschchen in der Hand.
31
Ran riss die Tür seines Studierzimmers auf und wurde im gleichen Augenblick mit Fragen von den gewählten Köpfen des Dorfes beschossen.
»Gentlemen!«, reagierte er scharf. »Ich kann ja wohl kaum alle Fragen auf einmal beantworten, oder?« Ran machte einen Schritt zurück und ließ die erfahrenen Piraten vorbeimarschieren, als Aurora den Korridor vom Speisesaal kommend durchquerte. Sie trug ein mit einem Tuch bedecktes Tablett auf ihrer Hüfte und kaute auf einer Brotkruste. Sie blieb stehen, schluckte und beobachtete, wie Ran jedem einzelnen Mann zunickte, der sein Studierzimmer betrat. Sein Blick schnellte hoch und kehrte dann rasch wieder zurück, um über die Köpfe der Männer hinweg auf den ihren zu treffen. Sein Gesichtsausdruck wurde auf der Stelle sanft, und sie trat einen Schritt näher.
»Captain«, rief jemand aus seinem Raum, »dieser Vorschlag von Euch, was …?«
»Einen Moment noch, Mister Hawthorn.« Seine Augen blieben auf Aurora geheftet.
»Guten Tag, Ransom«, begrüßte sie ihn atemlos. Seit Tagen war sie nicht mehr so nahe an ihn herangekommen, und sie vermisste ihn. Ihr war jedoch erst an diesem Morgen klar geworden, dass er ihr bewusst aus dem Weg ging. Das schmerzte und verwirrte sie. »Ich muss unbedingt mit dir reden.« Sie fühlte sich, als würde sie um eine Audienz bitten. »Später vielleicht, wenn du einen Moment erübrigen kannst.« Es lag kein Biss in ihrer Stimme, lediglich Hoffnung.
»Aurora, ich … ach«, stammelte Ran, schaute zur Seite und dann in ihre Augen. Sie runzelte die Stirn angesichts seiner Besorgnis, seiner Traurigkeit, und trat näher. Beharrliche Stimmen riefen ihn jedoch hinein.
Eine Hausangestellte stand oben auf der Treppe und gab ihr aufgeregt Zeichen. Aurora wendete sich also rasch ab, während Ran in den Raum glitt. Mit einem Seufzer schloss er die Tür und trat den Männern gegenüber, die sich auf seine Bitte hin versammelt hatten. Gott, es musste einfach funktionieren.
Aurora stand über Sayidda gebeugt und beobachtete, wie sie schlief; die Augenbrauen der Frau zogen sich zusammen und glätteten sich wieder, während sie mit ihren Schmerzen kämpfte. Ihre Krankheit war schlimmer geworden, und Aurora war nicht in der Lage, ihre Beschwerden zu lindern. Die Tatsache, dass sie ihr Essen und ihre Getränke untersucht hatte und sogar so weit gegangen war, sie selber zuzubereiten, um sicherzugehen, dass sie einwandfrei waren, hatte die Schmerzen weder lindern noch die Ursache aufdecken können. Und doch war es Gift. Da war Aurora sich sicher, denn ihr Krötensteinring erwärmte sich so stark, dass er ihr fast den Finger verbrannte und sie ihn abziehen musste. Entmutigt seufzend nahm sie das Tablett, befühlte mit ihrem Handrücken Sayiddas Gesicht und verließ den Raum. Später würde sie erneut alles untersuchen, womit Sayidda in Kontakt kam, und sich mit Mister Buckland beraten. Dies, entschied Aurora, liegt nicht im Bereich meiner Kenntnisse.
Sie ging leise den Korridor entlang und stieg dann mit gefährlicher Eile die Treppe hinunter, direkt auf Ransoms Studierzimmer zu. Sie blieb stehen. Die Tür war angelehnt, und als sie hineinschaute, konnte sie sehen, dass der Raum leer war.
»Aurora?« Sie drehte sich um und entdeckte Léonie, die ruhig neben ihr stand. »Das Tablett …« Sie wies darauf und Aurora händigte es ihr mit einem Dank aus. »Er ist zum Berg gegangen«, informierte Léonie sie, als könnte sie ihre Gedanken lesen.
Auroras Schultern versteiften sich, und ihre Augen verengten sich auf den Ausblick durch die geöffneten Fenster. »Falls Ihr Eure Lordschaft sehen solltet«, teilte sie ihr steif mit, »so sagt ihm doch bitte, dass ich um eine weitere Audienz bitte. Falls er einen Moment für das kleine Volk erübrigen kann.«
Léonie runzelte die Stirn angesichts Auroras beißenden Tones, und sie beobachtete, wie die junge Frau das Haus verließ und nach Dahrein rief. Dann ging das Paar in Richtung Meer fort.
Nach Westen hatte der Ausguck einen perfekten Drei-Viertel-Blick über die Insel, deren Ostseite von den Eingeborenen bewohnt wurde. Die Reise in den Westen der Insel war für Unerfahrene beschwerlich. Die Eingeborenen, das wusste Ran, hatten sich schon oft als fähig erwiesen, wenn es darum ging, Eindringlinge
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