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Heisser Draht nach Paradiso

Heisser Draht nach Paradiso

Titel: Heisser Draht nach Paradiso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Lebewohl
sagen mußte.
    Georg, der nun schon viel graue
Haare hatte, chauffierte. Hermann Sauerlich saß neben ihm und hatte Akten auf
dem Schoß, in die er sich dann tatsächlich vertiefte — während der Fahrt.
    Die TKKG-Bande quetschte sich
in den Fond. Allerdings war es ein komfortables Gequetsche, denn eine
Jaguarlimousine ist ja kein Trabi.
    Durchs Heckfenster winkten die
TKKGler dem Kommissar zu. Dann — hinter der ersten Kurve — wandte sich die
Aufmerksamkeit in Fahrtrichtung.
    Falls nicht zuviele Staus
aufhielten, würde man nachmittags Zürich erreichen und ein bißchen bummeln;
über Quaibrücke und Bürkliplatz und vorbei am Großmünster.
    Abends — wie gesagt — sollte
die TKKG-Bande im Nachtexpreß Weiterreisen. Ein Liegewagenabteil mit vier
Plätzen war reserviert. Ein Sauerlich’scher Geschäftsfreund in Zürich hatte das
veranlaßt.
    „Narbengesicht und seine
Komplizen“, sagte Tim, „sind in Lugano. Irgendwie spüre ich das. Man hat ja
schließlich Instinkt.“
     
    *
     
    Der kleine Hund jaulte auf, als
ein Tritt ihn in die Rippen traf. Bellos Fluchtversuch endete am Ende der
Leine. Dort erdrosselte sich der putzige Mischling beinahe am eigenen Halsband.
    Der alten Dame, Bellos
Frauchen, blieb fast das Herz stehen. Aber dann faßte sie allen Mut und machte
ihrer Empörung Luft.
    „Wie können Sie... Warum treten
Sie meinen Hund? Schämen Sie sich nicht? Sie... Sie sind ja brutal.“
    Dieter Blunschli spuckte dicht
an ihr vorbei, während er weiterging.
    „Glaubst du, Oma, ich lasse
mich anpinkeln von deinem Köter? Noch ein Wort, und ich hau ihn an die Wand.“
    Die alte Frau schwieg. Rasch
nahm sie den winselnden Bello auf den Arm. Sie hatte Angst, war aber auch
voller Zorn, wagte jedoch nicht, diesen Kerl — und den andern, der so hämisch
grinste — zurechtzuweisen.
    Oswald Fregger sagte: „Sei
froh, Oma, daß du keinen Tritt kriegst.“
    Feixend entfernten sie sich —
in Richtung Maisons de Corporations, der ehemaligen Zuchthäuser, einer
Sehenswürdigkeit von Brüssel, der belgischen Hauptstadt.
    In einer Kneipe dort hatten sie
eine Verabredung.
    Pünktlich sein, hieß das.
Jean-Claude Neflet, der Hehler, haßte es, wenn man ihn warten ließ. Und Neflet
war ja nicht irgendwer, sondern ein Gauner mit internationalen Beziehungen. Der
konnte nahezu alles bewirken — daß in New York ein Denkmal geklaut wurde oder
daß morgen Regen fiel.
    Neflet, der Allgewaltige, wie
er in der belgischen Unterwelt hieß.
    Freilich: Dieter Blunschli und
Oswald Fregger waren keine Belgier, sondern besaßen Schweizer Pässe. Blunschli
war gebürtig aus Zürich, Fregger aus St. Gallen. Sie hatten viel auf dem
Kerbholz — sehr viel, aber keine Vorstrafen.
    Blunschli war groß,
semmelblond, kantig. Das grobe Gesicht hätte zu einem Kuhhirten aus dem 18.
Jahrhundert gepaßt, der weder Lesen noch Schreiben kann.
    Fregger war kleiner, hatte
schwarze Bartschatten und bewegte sich wieselflink. Er konnte die Hände nicht
ruhig halten, und seine Blicke schossen hin und her wie gefangene Ratten.
    Beide gaben 1960 als ihr
Geburtsjahr an.
    Die Kneipe hieß Herz-Ass, und
der Hehler Neflet wartete am letzten Tisch hinten.
    Zigarettenqualm. Ein paar Typen
an der Theke. Am Glücksspielautomaten surrten die Scheiben. Der Wirt stocherte
in den Zähnen. Musik aus der Musikbox.
    Neflet wies auf zwei Stühle.
    „Setzt euch.“ Er winkte dem
Wirt. „Noch zwei Schoppen Roten.“
    Blunschli war’s zufrieden, aber
Fregger, dem seit gestern der Magen schmerzte, sagte, er hätte lieber einen
Kaffee.
    „Gute Besserung!“ sagte Neflet,
aber an der Bestellung änderte er nichts.
    Er war elegant gekleidet, trug maßgeschneiderte
Hemden und ebensolche Schuhe. Ein hagerer Kerl, knochig wie ein Raubvogel ohne
Federn. Schmaler Schädel. Das Gesicht war nach außen gebogen, sichelförmig.
Eisaugen. Die dünnen Lippen lächelten häufig. Aber das bedeutete nichts.
    „Ich habe einen Auftrag für
euch“, sagte Neflet.
    Beide blickten erfreut. Über
ein Dutzend Aufträge hatten sie für den Hehler erledigt. Die Jobs lohnten sich.
Blunschli hatte inzwischen ein fettes Bankkonto. Fregger besaß nichts. Doch das
lag daran: Er war vom Spielteufel besessen und verlor alles Geld beim Zocken.
Abgesahnt hatte er genausoviel wie sein Komplize.
    Der Wirt schlurfte heran und
brachte zwei Schoppen Rotwein. Fregger sagte nichts.
    „Sie sind zu dritt“, erklärte
Neflet, als der Wirt weg war: „Ricardo Paccalone, Carlo Arguno,

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