Heisser Draht nach Paradiso
die
TKKG-Bande quetschte sich erst mal ins Schlafabteil, wo es heiß war und eng.
„Hier halte ich’s nicht aus“,
murrte Klößchen. „Dagegen ist unser Adlernest ein Festsaal. Mann, habe ich
einen Durst.“
„Das Essen war zu salzig“,
sagte Karl. „Mir klebt die Zunge am Gaumen.“
Durst, dachte Tim, habe ich
eigentlich auch.
„Zwei Wagen weiter vorn“, sagte
Gaby, „ist der Speisewagen. Da kriegen wir bestimmt einen Durstlöscher.“
Bevor sie sich auf den Weg
machten, kam der Schaffner. Sie zeigten ihm die Fahr- und die Bettkarten, und
er fragte in italienischem Deutsch nach ihren Wünschen.
Tim erkundigte sich, ob der
Speisewagen noch offen sei. Bis 1.00 Uhr, erklärte der Schaffner.
Die vier zogen los.
Im Speisewagen waren Plätze
frei. Die TKKG-Bande fand einen Tisch für sich allein. Dreimal wurde
Zitronenlimonade geordert, Tim trank Mineralwasser.
Er saß innenseitig am Gang.
Weil der Zug sich in eine Kurve legte, wackelten auf dem Tisch die Blumen — und
jemand fiel gegen Tim. Kein schwerer Körper, eher ein gebrechlicher, alter Mann
— und schon hielt der kniesteife Oldie sich an der Tischkante fest.
„Entschuldigung, ich...“
Tim griff zu, wobei er sich
halb erhob. Er packte den alten Herrn an Arm und Schulter und verhinderte so,
daß er eine Bauchlandung im Mittelgang hinlegte.
„Danke! Ach, du bist es, mein
Sohn.“
„Suchen Sie einen Platz?“
„Ich sehe gerade, nun ist
keiner mehr frei.“ Er fügte nicht hinzu: Außer bei euch. Denn die TKKG-Bande
saß an einem Sechsertisch.
„Wenn Sie hier Platz nehmen
wollen...“, sagte Tim und dachte: Wer so klapprig ist, sollte allein nicht mehr
reisen.
„Gern! Sehr gern!“
Tim rückte dichter neben Karl
und bugsierte den Oldie neben sich. Dessen Gelenke knackten wie Sperrholz, als
er sich setzte.
Lächelnd blickte er die Kids
an, machte eine angedeutete Verbeugung vor Gaby und stellte sich vor.
„Karl-Friedrich Klümpli von
Pahl. Klümpli ist mein Vatername, meine Mutter war eine geborene von Pahl. Ich
reise nach Lugano.“
Die vier Freunde nannten ihre
Namen, und Klößchen meinte dann: „Ich glaube, mir geht ein Licht auf. Als mein
Vater Sie gewahrte vorhin, deuchte es ihn, Sie zu kennen. Da ich jetzt Ihren
Namen höre — haben Sie vielleicht was zu tun mit der berühmten
Klümpli-Schokolade?“
Der Oldie nickte. „Die
Klümpli-Werke gehören mir. Ich bin Schokoladenfabrikant. Du heißt Sauerlich?
Etwa ein Sohn des Schokoladen-Sauerlich?“
„Der einzige.“ Klößchen drückte
die Brust raus. „Mein Vater schätzt Ihre Produkte, Herr Klümpli von Pahl. Mein
schärfster Konkurrent, sagt er immer — bißfein, schmelzmild und knackig. Ich
meine Ihre Produkte.“
Der Oldie reichte Klößchen die
Hand über den Tisch. Klümpli war hochgewachsen, gleich groß wie Tim, aber
abgezehrt vom Alter, ein bißchen skelettig, mit braunen Altersflecken auf der
Haut. Das schlohweiße Haar war noch voll, schlohweiß der Schnauzbart unter der
Hakennase und die buschigen Brauen. Er trug mehrere schwere Ringe und eine
goldene Armbanduhr — natürlich weltberühmtes Schweizer Fabrikat. Bekleidet war
er mit einem hellen Leinenanzug, der wie ein zerknautschter Sack an ihm hin.
„Wir fahren auch nach Lugano“,
sagte Karl, „zu Willis Eltern, die dort ein Ferienhaus haben. Machen Sie
Urlaub? Oder ist Lugano Ihr Wohnsitz?“
„Mein Wohnsitz.“ Klümpli
seufzte. Er hatte Kaffee bestellt und dazu ein Kirschwässerli. „Wovon sollte
ich Urlaub machen? Seit meine Kinder mich aus der Leitung meiner Firma
rausgelobt haben, habe ich nur noch Urlaub. Dabei fühle ich mich so jung. Trotz
meiner 91 Jahre.“
„91?“ fragte Tim. „Das sieht
man Ihnen nicht an.“
„Mir geht’s auch sehr gut. Nur
die Knie sind abgenutzt wie rostige Türangeln. Hier“, er suchte in seiner
Brieftasche und fand eine Visitenkarte, „das ist meine Adresse. Ihr besucht
mich. Abgemacht? Mein Grundstück liegt in Castagnola — direkt am See. Ich habe
ein großes Motorboot. Mit dem mache ich den See unsicher, hahahah.“
„Wir kommen gern“, sagte Tim
und steckte die Karte ein. „Und wo seid ihr zu Hause? Doch nicht in Zürich. Das
höre ich an der Aussprache.“
Sie sagten es ihm.
Klümplis Augen leuchteten.
„Eine schöne Stadt. Was man nur von wenigen Großstädten sagen kann. Ich kenne
dort jemanden, der auch in Lugano sein Haus hat. Habe ich ihm damals
vermittelt. Ein unmöglicher Mensch, wie sich später herausstellte. Immerhin —
wir
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