Heisser Draht nach Paradiso
Luciano
Vinelli. Halbprofis aus Lugano. Profihaft nur hinsichtlich der Technik, in der
Gesinnung sind die naiv wie Amateure.“
„Aha“, meinte Blunschli und
griff nach seinem Glas. Fregger spürte seinen Magen und beschloß, nur ein, zwei
Schlucke zu trinken.
„Die drei“, fuhr Neflet fort,
„haben in Deutschland eine Bank leergemacht. Nein, kein Überfall, sondern
nächtlicher Einbruch. Immerhin konnten sie 150 Schließfächer knacken.
Wertpapiere, Schmuck, auch Bargeld. Jedenfalls fette Beute. Fast alle
Wertsachen habe ich ihnen abgekauft. Für 440 000 Schweizer Franken. Das Geld
tragen sie bei sich. Aber nicht nur das, sondern auch eine Tasche voller
Schmuck. Es ist der Familienschmuck eines Adeligen — zum Teil 200 Jahre alt.
Gezeigt haben sie mir die Klunkern, aber verkäuflich waren die nicht. Auch
diesen Schatz haben sie bei sich.“
„Alles klar“, sagte Blunschli.
„Wir werden ihnen dein Geld abnehmen und den Schmuck. Wo finden wir die drei?“
„Sie steigen nachher in den
Nachtexpreß via Lugano. Ich habe heimlich Fotos machen lassen von dem Trio.
Hier!“ Er zog ein Kuvert aus der Brusttasche. „Prägt euch die Gesichter ein.
Die Fotos bleiben hier.“
Der Fotograf hatte ein
Teleobjektiv benutzt. Die Gesichter der Schließfachknacker waren gut zu
erkennen.
Blunschli und Fregger starrten
darauf, bis es ihnen vor den Augen flimmerte.
„In Ordnung“, sagte Blunschli.
„Die erkennen wir. Besonders den mit der Narbe. Hast du schon einen Plan?“
Neflet nickte. „Im Nachtexpreß
kommen immer wieder Überfälle vor. Raubüberfälle. Pech, daß es auch die drei
trifft.“
„Ob sie dich dann
verdächtigen?“ meinte Fregger.
„Nein. Erstens vertrauen sie
mir. Zweitens häufen sich die Überfälle, wie gesagt. Wer sich in Gefahr begibt
— nämlich in den Nachtexpreß der muß damit rechnen, daß er ausgeraubt wird.
Wenn ihr mit Betäubungsgas arbeitet, wird’s eine klare Sache.“
„Betäubungsgas? Gut!“ Blunschli
war erfreut über den Vorschlag.
„440 000 Schweizer Franken“,
sagte Fregger. „Und den Familienschmuck. Was fällt für uns ab?“
„Vom Schmuck nichts. Dafür
kriegt ihr ein Drittel vom Geld.“
„Die Hälfte wäre besser.“
„Ein Drittel!“
„Wenigstens zwei Sechstel!“
Freggers Magen schmerzte. „Idiot!“ murmelte Blunschli. „Das ist doch dasselbe.“
„Wie? Also gut, ein Drittel.“
Blunschli hatte sein Glas fast
geleert. Er begann nachzudenken.
„Am besten“, sagte er, „wir
steigen auch hier in den Zug. Wann und wo wir zuschlagen, ist ungewiß. Hängt ab
von dem Trio. Vielleicht feiern die drei und gehen erst spät zu Bett. Kann also
sein, daß wir bis Lugano mitfahren müssen. Sollen wir dann gleich zurückkommen
und dir alles bringen oder erst in...“
„Nein!“ fiel ihm der Hehler ins
Wort. „Ihr bleibt in Lugano. Ich bin nämlich auch da. Montagabend komme ich an.
Ich fliege nachmittags bis Mailand. Dort nehme ich mir einen Leihwagen.“
„Und wenn die Typen dich
sehen?“
„Sie werden mich sehen. Ich
wohne bei Ricardo Paccalone, dem Boss.“
„Wie bitte?“
„Warum nicht? Er hat mich
eingeladen.“
„Ein...geladen?“
„Wir sind schließlich gute
Freunde. Er wird mir Lugano zeigen. Schon immer wollte ich mal hin.“
„Äh, aber...“, Blunschli hatte
Schwierigkeiten, sich verständlich zu machen, „gleichzeitig nimmst du ihm
alles... ich meine, er ist doch gelackmeiert und... Ist er wirklich dein
Freund?“
„Geschäftsfreund. Da sieht
jeder zu, wo er bleibt. Ihr sollt sie ja nicht umbringen, sondern ihnen nur
alles abnehmen. Wenn ich mir da Gewissensbisse machte, stünde ich heute noch da
als armer Schlucker. Und die drei — das glaube mir! — würden das gleiche tun,
wenn sie nur könnten.“
„Also treffen wir dich in
Lugano?“
„So ist es. Ich wohne im
Grandhotel Eden, Stadtteil Paradiso. Direkt am See gelegen. Aber nur für eine
Nacht. Ab Dienstag, wenn ich offiziell ankomme, bin ich Gast in Paccalones
Haus. Wir sehen uns am Montagabend im Eden. Da kriegt ihr euren Anteil.
Paccalone benötigt sicherlich den Montag, um sich von eurem Anschlag zu
erholen. Mein tiefstes Mitgefühl werde ich ihm ausdrücken.“
14. Herr Klümpli plaudert aus
Hinter ihnen lag ein lustiger
Nachmittag: Züricher Sehenswürdigkeiten bei strahlendem Sonnenschein und zum
Schluß ein Bummel durch das unterirdische Einkaufszentrum Shop-Ville am
Bahnhof.
Die TKKG-Bande hatte sich müde
gelaufen, und Klößchens Vater, der
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