Heißer Schlaf
plötzlich viel weiter unten zu liegen als in der letzten Nacht, und seine Vettern waren nähergekommen. Sie standen nur zwanzig Meter weg und konnten jedes Wort hören. Sie wollten sehen, wie er sprang, nackt und ohne eine Möglichkeit, seine Scham zu bedecken.
»Ich sagte, spring!« schrie Aven. »Du kletterst jetzt auf die Fensterbank und springst!«
Hoom kletterte auf die Fensterbank und versuchte, sich mit der Hand zu bedecken. Es war ein grauenhaftes Gefühl der Demütigung, der Unentschlossenheit und des Hasses.
»Spring, verdammt!« bellte Aven.
»Ich kann nicht«, flüsterte Hoom. »Bitte!«
»Gestern nacht konntest du verdammt gut springen!« brüllte sein Vater; und gerade in diesem Augenblick hörte Hoom die Stimme seines Großvaters von der Tür her. »Aven, sei vorsichtig mit dem Jungen«, rief er, und Hoom drehte sich um. Er wollte seinen Großvater anrufen, ihn um Hilfe bitten, aus seiner unerträglichen Lage befreit werden. Aber als er sich umdrehte, riß Aven den Arm hoch und versetzte Hoom einen harten Schlag. Wenn Hoom sich nicht umgedreht hätte, wäre er am Rücken getroffen worden. So aber erhielt er einen krachenden Schlag zwischen die Rippen. Hoom verlor das Gleichgewicht, versuchte noch, sich auf der Fensterbank zu halten, und stürzte aus dem Fenster.
Er war auf den Sturz nicht vorbereitet. Er landete nur auf dem rechten Bein, und sein Knie schien zu platzen. Mit einem schrecklichen Knacken knickte das Bein unter ihm um. Er blieb liegen, und überdeutlich empfand er die Wirklichkeit. Und die Wirklichkeit war ein gewaltiger Schmerz, der sich auf ihn legte, ihm den Atem nahm und ihn fast erstickte. In der Ferne hörte er einen Schrei. Es war seine Mutter. Sie rannte zu ihm und schrie laut auf und fing dann an zu weinen. »Hoom, mein Junge, mein Sohn«, rief sie, und Hoom hörte wieder einen Schrei, weit weg und von hoch oben. Er hörte seinen Vater rufen: »Frau, bleib da weg!«
»Ich heiße Esten, Mann!« schrie seine Mutter voll Wut. »Siehst du nicht, daß der Junge sich das Bein gebrochen hat?«
Gebrochen? Hoom schaute hin und hätte sich fast übergeben. Sein rechtes Bein war eben unter dem Knie in einem Winkel von neunzig Grad nach hinten abgeknickt. Unter dem Knie hatte er ein neues Gelenk, aus dem weiß und blutig ein seltsamer Knochen herausragte.
»Jason!« hörte er seinen Vater rufen, als ob der Schrei den Gott aus seinem Turm locken könnte. »Was habe ich dem Jungen angetan?« Und dann ließ der Schmerz ein wenig nach. Hoom atmete tief ein, und in seiner ganzen Schärfe war der Schmerz wieder da, doppelt so schlimm wie vorher. Eine Welle der Qual fegte über ihn hinweg; alles wurde purpurfarben; die Welt verschwand.
Hoom wurde wach, als jemand an die Tür klopfte. Ihm war unerträglich heiß; sein Schweiß floß in Strömen, und in der Hitze kratzte die Wolldecke unangenehm, die man ihm übergeworfen hatte. Er versuchte, sie abzustreifen, aber die Bewegung verursachte Schmerzen, und er stöhnte laut auf.
Jemand war hereingekommen, und in der Ferne (ein paar Meter weiter) hörte er zwei Männer streiten.
»Du bleibst, verdammt nochmal von dem Jungen weg«, sagte Avens Stimme.
»Ich kann sein Bein heilen, Aven«, sagte eine andere Stimme, »und du hast nicht das Recht, mich daran zu hindern.«
»Jason weiß, daß du schon genug angerichtet hast!« sagte Aven und hob die Stimme.
»Auch du hast mehr als genug angerichtet!« kam die wütende Antwort. »Laß jetzt wenigstens jemanden für den Jungen sorgen, der ihn wirklich liebt.«
Hoom erkannte die andere Stimme. Es war Stipock. Aber jetzt kam Großvater Noyocks eindringliche und ruhige Stimme. »Aven, Gesetz bleibt Gesetz. Und wenn ein Mann sein Kind verletzt, wird das Kind seiner Obhut entzogen.«
Ein Stöhnen, ein Schrei. »Ich wollte nicht, daß er sich verletzt!« sagte er mit zitternder Stimme und weinte. Vater weinte! Der Gedanke war Hoom unbegreiflich. »Du weißt, daß ich es nicht wollte, Vater!«
Aber Noyock sagte kein Wort zu ihm. Er bat nur Stipock, sich an die Arbeit zu machen.
Hoom spürte, wie ihm die Decke weggezogen wurde. Die kalte Luft war schneidend. Sanfte Hände berührten sein Bein – und wie Feuer fuhr es ihm in den Rücken.
»Das ist ja entsetzlich«, sagte Stipock.
»Kannst du ihn heilen?« fragte Noyock. »Wir hatten noch nie eine so schlimme Verletzung, jedenfalls keine, die der arme Kerl überstanden hat.«
»Ich werde Hilfe brauchen.«
Aven meldete sich aus der Ecke.
»Ich
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