Heißer Schlaf
unterhielten sich angeregt über neutrale Dinge – über alles andere als die bevorstehende Abstimmung – und erreichten Erstfeld in bester Stimmung.
Als sie aber dort waren, ging es gleich ums Thema. »Wie viele sind da?« fragte Hoom, und Wix antwortete lächelnd: »Ich glaube nicht, daß heute jemand zu Hause geblieben ist. Das gilt auch für die Gegenseite.«
»Wie wird die Abstimmung ausgehen?« fragte Dilna.
»Nun, Aven meint, daß mindestens die Hälfte seiner Leute für den Kompromiß ist. Zusammen mit unseren Stimmen kann also nichts schiefgehen.« Wix schaute sich um. »Sogar Billin lächelt und sieht glücklich aus. Dabei hat er geschworen, daß er unter keinen Umständen einen Aufseher über uns dulden würde.«
Hoom legte seinen Arm um Dilna. »Genaugenommen ist Billin ein ganz vernünftiger Mann. Er hört sich nur gern reden.«
Aber Dilna beobachtete Billin, der ganz in der Nähe, im Kreise seiner Anhänger, fröhlich plauderte. Billin hatte wochenlang immer wieder gesagt, daß er nichts Geringeres als völlige Freiheit gegenüber dem Aufseher – und gegenüber Jason – akzeptieren würde. Er wirkt im Augenblick ein wenig zu glücklich, dachte sie. Ich bin nur deprimiert wegen der Schwangerschaft, war ihr nächster Gedanke.
Aber sie war nicht die einzige, die deprimiert war, als das Nein sich erheblich lauter bemerkbar machte, während das ja weit zurückblieb. Besorgt sprang Wix gleichzeitig mit Aven auf, und beide verlangten die Auszählung. »Knapper als wir dachten«, sagte Wix, als er sich wieder setzte. »Die Fanatiker schreien eben lauter.«
Aber die Auszählung machte es noch deutlicher. Eine klare Mehrheit der Vereiniger war für teilweise Unabhängigkeit. Aber von den Leuten aus Stipocks Bucht hatten zwei Drittel dagegen gestimmt.
Noyock hatte die Auszählung beendet und schüttelte den Kopf. »Leute aus Himmelsstadt, ich verstehe euch nicht!« schrie er.
Aven sprang auf. »Aber ich verstehe! Die Schweine von jenseits des Flusses versprechen alles mögliche, aber sie halten nichts!«
Viele der älteren Leute murmelten Zustimmung, und Billin drängte sich durch die Menge nach vorn. »Darf ich sprechen?« fragte er. Noyock schüttelte den Kopf. »Je der, der dir zuhören will, Billin, darf es gern tun. Aber ich schließe die Versammlung. Himmelsstadt bleibt eine Einheit. Die Trennung wurde abgelehnt. Mehr kann ich nicht tun.«
Noyock zog sich zurück, und viele der älteren Leute versammelten sich um ihn und verließen mit ihm zusammen Erstfeld. Billin ließ sich nicht stören und fing an zu schreien.
»Warum haben wir gegen den sogenannten Kompromiß gestimmt?« fragte er.
»Wen, zum Teufel, interessiert das?« schrie Wix, und alle, die dafür gestimmt hatten, lachten.
»Wir haben gegen diesen sogenannten Kompromiß gestimmt, weil diese alten Männer, die Jason so sehr lieben, uns nur eine Falle gestellt haben, um uns unter der Fuchtel ihres großartigen Aufsehers zu halten! Wir brauchen euch aus Himmelsstadt nicht, und wir lehnen eure altmodischen, sturen und dummen Gesetze und Entscheidungen ab! Wir werden über den Fluß gehen und alle unsere Boote mitnehmen, und ihr könnt euer Himmelsstadt behalten! Wir werden eine neue Stadt sein! Stipockstadt! Ein Ort, wo die Leute frei sind!«
Billins Anhänger und ein paar andere Leute spendeten mäßigen Beifall.
»Komm, wir verschwinden«, sagte Dilna.
»Ich bin einverstanden«, sagte Hoom.
»Was ich gern wissen möchte«, rief Wix, als er durch die Menge ging, die mit ihnen zusammen aufbrach, »ist, wie ihr Metall bekommen wollt, wenn wir nicht mehr über den Fluß fahren!«
»Das ist typisch Wix!« schrie Billin. »Wenn ein Plan nicht von ihm ist, gefällt er ihm nicht!« Gelächter. »Also, Wix, vor drei Tagen sind Coren, Rewen und Hanlatta von einer kleinen Expedition im Norden des Flusses zurückgekommen. Und sie haben tatsächlich gefunden, was sie suchten! Kupfer! Zinn! Mindestens so reiche Lager, wie es sie auf dieser Seite des Flusses gibt. Wir sind jetzt in jeder Hinsicht unabhängig. Die alten Männer und Weiber sollen meinetwegen bis zum Ende ihrer Tage hier sitzen bleiben. Wir werden eine Stadt bauen, in der es sich anständig leben läßt! Wir werden keinen Aufseher haben. Wir werden keinen Gott haben, der uns sagt, was wir tun dürfen und was nicht! Wir werden keinen …«
Dilna, Hoom und Wix waren weit genug Noyocks Weg hinaufgegangen, daß sie nicht mehr zuhören mußten. Einige ihrer Freunde waren bei ihnen,
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