Heißer Trip ins Glueck
letzte Satz klang eher anerkennend als tadelnd.
„Und warum hast du nicht studiert?”
„Was soll ich mit einem Studium oder einem Doktortitel? Das ist mehr etwas für Bürohengste, die nur ihre Karriere im Kopf haben. Mein Leben sieht anders aus.” Er streckte die Beine unter dem Tisch aus und legte die Füße übereinander. „Keine Stechuhr, kein Rasen im Vorgarten, den man mähen muss, keine Geburtstage, die man nicht vergessen darf.”
Clair fragte sich, wen er mit dem, was er gerade sagte, überzeugen wollte, sie oder sich selbst. Aber die Botschaft, dass er seine Mission als beendet betrachtete und bald wieder aus ihrem Leben verschwinden würde, war unüberhörbar. Das war zwar hart, aber immerhin ehrlich. Von Lügen hatte sie genug. Sie brauchte jetzt Ehrlichkeit mehr als alles andere.
Ihre Nummer wurde aufgerufen. Clair riss sich von ihren Gedanken los. Während Jacob das Essen holen ging, sah sie sich um. Rings um sie herum fand das pralle Leben dieses Ortes statt. Ein kleines Mädchen aß mit sichtlichem Vergnügen ihre Spaghetti mit Tomatensoße.
Die Soße hatte sich über das ganze Gesichtchen verteilt. Ein Stück weiter feierten lautstark junge Leute. Es schien sich um das örtliche Baseballteam zu handeln, und man hatte offensichtlich gewonnen. Noch ein paar Tische weiter fand ein Kindergeburtstag mit Papierhüten und bunten Luftballons statt. In der Mitte des Tisches stand ein großer Kuchen mit einer Kerze darauf.
Es gab Clair einen kleinen Stich. Sie dachte an ihre Geburtstage, die gewöhnlich entweder im „Yacht Club” oder im „Four Seasons” gefeiert worden waren. Sie hatte sie nicht als halb so vergnügt in Erinnerung wie das, was sie hier sah, trotz der teuren Geschenke. Das hier kam ihrer Vorstellung von ihrem Leben wesentlich näher. Das wollte sie später auch haben: vergnügte Kinder, mit denen man vielleicht einmal im Monat als besonderes Ereignis Pizza essen ging, die Teilhabe an den kleinen Freuden des Ortes, an dem man lebte, einen Vorgarten mit einem weißen Gartenzaun, ein Rosenstock neben dem Hauseingang, einen Hund. Sie sah, wie Jacob mit ihren Tellern zurückkam und sich einen Weg durch die bunte Menge bahnte.
Als sie später im Motel waren, entlud sich das Gewitter direkt über ihnen mit aller Heftigkeit. Blitze erhellten das Zimmer, Donner krachte und Regen prasselte laut aufs Dach.
Clair und Jacob liebten sich, als wollten sie es in ihrer ungehemmte Leidenschaft mit den Naturgewalten aufnehmen. Sie beide wussten, dass die Zeit begrenzt war, die ihnen noch blieb, und dass es jetzt auf jede Minute ankam.
11. KAPITEL
„Seien Sie uns in Wolf River willkommen, Miss Beauchamp”, sagte Henry Barnes und streckte Clair strahlend seine Hand entgegen. „Sie glauben gar nicht, welche Freude Sie mir damit machen, dass ich Sie endlich kennen lernen darf.”
In seinen makellosen Jeans, dem gebügelten weißen Hemd und den auf Hochglanz gebrachten Cowboystie feln sah der Mann mit dem silbergrauen Haar eigentlich gar nicht wie ein Notar aus, sondern mehr wie ein Rancher in seinem Sonntagsstaat.
Henry Barnes war ein gut aussehender Mann. Zwar hatte das Alter seine Spuren in dem sonnengebräunten Gesicht hinterlassen, aber das machte ihn nur noch interessanter. Die Offenheit und Freundlichkeit seines Empfangs halfen Clair, ihre Befangenheit zu überwinden.
Die letzten zwanzig Minuten vom Ortseingang von Wolf River bis hierher hatte Clair kein einziges Wort gesprochen. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Wieder einmal half ihr ihre Erziehung, eine kritische Situation zu überbrücken. „Danke, Mr. Barnes, das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite”, erwiderte sie in vollendeter Höflichkeit.
„Bitte nennen Sie mich doch Henry”, erwiderte der Notar und wandte sich dann Jacob zu.
„Und Sie müssen demnach Mr. Carver sein. Sie haben ausgezeichnete Arbeit geleistet, ich möchte fast sagen, Sie haben ein Wunder vollbracht. Als Rechtsvertreter der Familie Blackhawk möchte ich Ihnen jedenfalls dafür meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen, dass Sie uns Elizabeth …” er unterbrach sich und sah Clair entschuldigend an, „… ich meine Clair heil und wohlbehalten hergebracht haben.”
Jacob, den diese Lobeshymne ein wenig verlegen gemacht hatte, nahm die ihm angebotene Hand und sagte: „Ich heiße Jacob.”
„Dann werde ich uns zuerst einmal einen Kaffee besorgen. Bitte …” Barnes deutete auf zwei Sessel, die vor dem ausladenden Eichenschreibtisch
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