Heißer Zauber einer Nacht
waren seine Träume von einer stillen, respektvollen Frau, einem behaglichen Heimchen am Herd und Jahre häuslichen Segens hinweggefegt worden. Jetzt wusste er, was er sich in Wirklichkeit wünschte - eine Partnerin, deren Abenteurerherz im gleichen Rhythmus schlug wie seines.
Er konnte nur hoffen, dass Georgie diese Träume mit ihm teilte.
Ihr keckes, einladendes Lächeln stimmte ihn zuversichtlich. Und ihre Augen, die dunklen, geheimnisvollen Augen, die er so liebte, lockten ihn und machten ihn fast verrückt vor Verlangen.
Als er langsam über das Deck zu ihr ging, war er von neuer Zuversicht erfüllt.
Doch er wusste nicht, was er ihr sagen sollte ... womit er beginnen sollte.
Er hatte sie als Vormund schlecht behandelt, hatte später an ihr gezweifelt ... wie konnte er das wieder in Ordnung bringen?
Er nahm an, es war ähnlich wie bei der Reparatur eines Schiffes, eine Leine, ein Balken nach dem anderen, bis alle Segel gehisst werden.
»Hat eine von euch schon eine Pause eingelegt?«, fragte er.
Georgie schüttelte den Kopf. »Es ist nicht mehr so viel zu tun.«
Er musste bewundern, wie zäh sie war, denn die beiden würden noch mindestens eine Woche beschäftigt sein.
Kit teilte jedoch nicht die Hingabe ihrer Schwester. Sie blickte mit gerunzelter Stirn auf den großen Haufen Taue und Stricke, und warf ihrer Schwester dann einen ärgerlichen Blick zu. Sie war mehr als bereit, Feierabend zu machen.
»Dies kann bis morgen warten«, sagte Colin zu Georgie.
»O ja.« Kit stellte ihre Arbeit sofort ein. »Ich muss meinen Skizzenblock suchen, den ich gestern Nacht verloren habe.«
»Ich werde die Crew fragen, ob jemand ihn gesehen hat«, bot Colin an.
Kit strahlte. »Danke, Captain Danvers.« Sie blickte sich auf dem Deck um. »Wo ist übrigens Euer Bruder? Ich habe ihn lange nicht gesehen.«
»Rafe ist für Arbeit unter Deck eingeteilt. Er sammelt Abfall in der Bilge.«
Kit rümpfte angewidert die Nase. »Da stinkt es wie...«
»Ja, ich hoffe, dass er nach einem Tag Arbeit dort unten aufhört, Lügen zu erzählen.«
»Lügen?«, fragte sie, jetzt ganz Ohr.
»Ja, über sein Alter.«
Ihre Augen verengten sich. »Welche Lügen könnten das sein, Captain?«
Colin zuckte die Achseln. Er wellte das Mädchen nicht kränken oder auch nur in Verlegenheit bringen, und er nahm an, dass Kit nie wieder mit Rafe sprechen wollte, wenn sie die Wahrheit erfuhr. Oder zumindest nicht mehr auf dem Rest der Reise.
Er neigte sich zu ihr hinunter und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
Was er ihr über Rafes richtiges Alter offenbarte, wirkte wie erwartet. Kit mochte anders aussehen als ihre Schwester, doch sie hatte das gleiche feurige Temperament.
»Er ist erst zwölf?«, stieß sie hervor, sprang auf und ballte die Hände zu Fäusten.
Colin nickte.
»Aber er sagte ...« Sie verstummte und presste die Lippen zusammen. »Seid Ihr sicher? Zwölf?«
Er nickte abermals.
»O nein! Das ist ja unerhört!«, rief sie empört. »Das wird er nie wieder tun, glaubt mir!« Sie stürmte zur Leiter nach unten.
Georgie erhob sich und schaute ihrer Schwester nach. »Das hätte ich selbst nicht besser machen können.«
»Meinst du, ich habe ihre Gefühle verletzt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich finde, das war unvermeidlich. Aber du hast ihr einen Grund zur Empörung gegeben, und das tröstet sie über ihre Verlegenheit hinweg. Ich möchte nicht in der Haut deines Bruders stecken, wenn er es wagt, ihr in den nächsten paar Stunden über den Weg zu laufen. Dann wirst du ihn vermutlich aus dem Wasser fischen müssen.«
»Es wäre nicht das erste Mal«, sagte Colin.
Sie lachten beide, und das gab ihm Mut, den letzten gefährlichen Schritt über die Kluft zwischen ihnen zu wagen.
»Georgie, es tut mir so Leid. Ich habe dir in so vielerlei Hinsicht Unrecht getan.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht viel besser gewesen.«
»Nein, das stimmt nicht«, sagte er, und tiefes Bedauern klang aus seinen Worten. »Ich habe dir Unrecht getan, als ich diese Verlobungspapiere unterschrieb. Pymm traf fast der Schlag, als ich ihn fragte, für welchen Typ Mann er Lord Harris hält. Er ist so wütend über meine Dummheit, dich mit einem solchen Mann zu verloben, dass er mir kaum jemals verzeihen wird. Ebenso wenig kann ich von dir, der Hauptleidtragenden, erwarten, dass du mir meine unentschuldbare Gleichgültigkeit in dieser Sache verzeihst.« Er schwieg kurz. »Georgie, wenn ich Bescheid gewusst hätte, dann hätte ich eine solche
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