Heißes Geld
Vordruck zu: »Würden Sie mir bitte unterschreiben?« sagte er.
Nareike malte langsam. Er überlegte, wieviel jeder Buchstabe wert wäre und gab es auf, weil er sich beim Schreiben fortgesetzt verzählte. Er merkte, daß er nasse Hände hatte. Der Filialleiter übersah es höflich, aber ein Profi war ja auch im Umgang mit hohen Summen vertrauter als ein Kontomillionär.
Dr. Stirnli drückte auf einen Knopf. Der Schalterbeamte, der Nareike zu ihm geleitet hatte, erschien wieder und überreichte seinem Chef die Unterlagen.
Nareike sah den Fußschalter am Schreibtisch des Direktors. Mit einem unauffälligen Druck könnte der Mann bei der nächsten Polizeistelle Alarm auslösen. Es war als Schutz gegen Raubüberfälle gedacht, schließlich waren die Banken die Treuhänder der ihnen anvertrauten Gelder; er zählte die Sekunden. Es waren viele. Zu viele. Er starrte auf die gepolsterte Türe mit der Aufschrift: DIREKTION. Die silbernen Lettern begannen zu tänzeln. Er atmete schwer und sah auf der Schreibtischplatte die Fingerabdrücke der Angst, erschrocken zog er seine Hände weg.
»In Ordnung«, sagte Dr. Stirnli. »Sie sind seinerzeit …«
»Durch Herrn Rechtsanwalt Krautwald zu Ihrer Bank gekommen«, unterbrach ihn Nareike.
»Sie haben ein Guthaben von einer Million Zweihundertsechzehntausend und dreihundertzweiundsechzig Dollar.«
Nareike nahm einen Zettel und notierte sich die stolze Summe.
»Sie wollen den Betrag bar?« fragte Dr. Stirnli.
»Allerdings.«
»In Dollars oder in Schweizer Franken?«
»In Dollars«, antwortete der Besucher. »Zumindest den größten Teil – wenn es sich machen läßt?«
»Keine Schwierigkeit«, versicherte der Filialdirektor. Er war nicht erstaunt, nicht verwundert. Es war nicht soselten, daß Kunden – einige seiner Kunden – hohe Barabhebungen vornahmen, damit man den Fluss des Geldes nicht verfolgen könnte. »Wann soll der Betrag bereitstehen?« fragte er.
»Ich möchte das Geld gleich mitnehmen«, entgegnete Nareike hastig.
»Wir sind zwar für besondere Fälle immer ziemlich liquid«, erwiderte Dr. Stirnli mit einem gewissen Lächeln, »aber soviel in Devisen haben wir nicht in der Kasse. Nicht am Sonnabend Vormittag. Auch nicht in Schweizer Franken. Nicht einmal annähernd. Sie müssen sich leider bis Montag morgen, acht Uhr dreißig, gedulden.« Mit sanftem Tadel setzte er hinzu: »Aber jetzt – eine Stunde vor Schalterschluß –«, entschuldigte er sich, das Unmögliche nicht erledigen zu können.
»Daran hätte ich natürlich denken müssen«, improvisierte Nareike: »Ich wollte mir ohnedies ein paar Tage Urlaub in dieser großartigen Ambiente genehmigen. Trotzdem möchte ich den geschäftlichen Teil meiner Reise sobald wie möglich hinter mich bringen. Montag morgen also und besten Dank für Ihr Entgegenkommen.«
Die Chiffre 333 verabschiedete sich mit einem Händedruck, ein Gentleman, dem der Kriegsverbrecher nicht anzusehen war, ein Mann auf der Flucht, der auch noch diese Panne hinnahm, obwohl sie seine Nerven vor eine weitere Zerreißprobe stellen müßte – aber er hatte die Hölle von Landsberg überlebt und war dem Henker im letzten Moment entkommen; er hatte als einer der Meistgesuchten der Fahndung getrotzt und sogar die aufdringlichen Umarmungen seiner Mitwisserin überstanden, um sich ihr Schweigen zu erkaufen, und so brachte Nareike die Selbstbeherrschung auf, die er von sich erwartete, schlenderte gespielt lässig durch die Schalterhalle dem Ausgang zu, ein Mann, dem niemand ansah, daß es ihm versagt geblieben war, seine Geliebte anzufassen, seine Ehefrau zu töten und sein Geld in der Umhängetasche davonzutragen.
Niemand sah ihm die Schlappe an, und eine Panne wäre auch noch keine Katastrophe, kurz vor dem Ausgang blieb er stehen, überlegend, ob er nicht an den Schalter zurückgehen und sich wenigstens einen Teilbetrag in Schweizer Franken auszahlen lassen sollte; er widerstand dem Impuls. Er wollte kein Aufsehen erregen, und er wollte das große Geld, nicht eine Abschlagsumme.
Der Livrierte riß die Türe auf und zog höflich die Mütze. Der Bankkunde nickte gleichgültig im Vorübergehen. Dann verkrampfte sich das unterschleifige Lächeln auf seinem Gesicht. Nareike begriff, daß er zur Fortsetzung der Narrenposse mit Hannelore gezwungen wäre. Er wußte, daß er sich etwas Besonderes einfallen lassen müßte, um diese eifersüchtige Megäre noch zwei weitere Tage hinzuhalten.
Einen Moment lang war er wieder böse auf
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