Heißes Geld
ungewöhnlichen Anomalien und abwegigen Perversionen. Er wollte sich zurückhalten, aber man konnte nicht Raubtier und Dompteur zugleich sein. Er stand und starrte auf Sabine – sie mit seinem ganzen Körper in den letzten Widerstand peitschend, verspürte er höchste Lust. Das atavistische Verlangen ließ sein Blut in den Unterleib strömen, in Einbahnrichtung, der alles folgte, Herz und Hirn, Kraft und Wahn. Es war, als hinge sein ganzer Körper an seinem Glied, nebst allem Denken und Fühlen, und es wuchs und wucherte, machte ihn blind und rasend.
Außer Atem überließ er sich dieser Fata Morgana.
Eine Sekunde bevor er sich auf das Original des Spiegelbildes stürzen konnte, schloß Sabine mit dem Fuß die Badezimmertür, und langsam blendeten die sexuellen Visionen aus, wurden zu noch weniger als einem Probedurchlauf in der Rethelstraße von Düsseldorf. Nareike war noch einmal davongekommen; er hörte, wie sein Puls sich normalisierte und sein Kreislauf wieder beruhigte. Er lächelte und ging nach unten, um sich unmittelbar vor dem Ziel dem Tag zu stellen.
Es war jetzt neun Uhr, und die Hälfte der Yankees war mit dem Hotelbus zum Golfplatz nach Ascona gefahren worden, aber akustisch konnte man das nicht bemerken. Henry W. Feller hatte die Gelegenheit benutzt und sich bei seinen Landsleuten als Amerikaner zu erkennen gegeben. Sie begrüßten ihn mit großem Hallo, und so wirkte er auf alle wie ein Mitglied der Reisegesellschaft. Die Tarnung war mindestens so gut wie Barbaras und sein Auftritt als Pärchen, wenn auch nicht so reizvoll. Er verfolgte, wie Nareike am Fenster Platz nahm und das mitgeführte Bordcase, das er vermutlich als lederne und tragbare Schatztruhe verwenden würde, auf dem Stuhl neben sich abstellte.
Er wartete noch mit der Bestellung.
Zehn Minuten später betrat die Blondine den Frühstücksraum und quittierte bewundernde Blicke mit schnippischer Gleichgültigkeit; sie ließ sich von ihrem Begleiter die Kissen sorgfältig zurechtrücken, genoß den Blick über den Lago, blinzelte in die Sonne, die gerade den gegenüberliegenden Monte Tamaro bestieg.
»Herrlich ist es hier«, sagte sie. »Können wir nicht noch ein paar Tage bleiben?«
»Vermutlich kannst du am Strand von Copacabana auch einen Wasserskikurs machen«, versetzte er mit sattem Großmut.
»Du spielst doch nicht auf René an?« erwiderte sie.
»Keineswegs«, antwortete er mit leichter Ironie: »Dieser Sport ist mindestens genauso schön wie Puccini. Übrigens müssen wir ja wieder nach Locarno zurück«, log Nareike, »wenn wir deinen Wagen abholen. Und dann besuchen wir natürlich auch die ›Lello-Bar‹.«
»Wann fliegen wir zurück?« fragte Sabine.
»Wenn es uns drüben nicht gefällt, schon übermorgen«, behauptete er. »Ansonsten, wann immer du willst. Du bist unser Reisemarschall.«
Sabine sah das Bordcase auf dem Stuhl neben sich: »Du bist wohl sehr stolz auf deinen Kauf?«
»Schau dir das Ding an«, antwortete er. »Jetzt ist es ungefähr tausend Mark wert. Ich gehe jetzt zu meiner Bank, und wenn ich zurückkomme, repräsentiert es vierkommaacht Millionen plus tausend Mark.«
Sabine schüttelte sich, als hätte sie zuviel Zitrone in ihren Tee gegossen.
»Und was René betrifft: Eine Frau wie du braucht Resonanz, braucht Bewunderung, muß sich ihrer Wirkung sicher sein. Sei unbesorgt, bei mir wirst du nie in ein Gefängnis gesteckt.«
»Eher schon in einen Goldpalast.«
»Ja«, bestätigte Nareike. »Aber einen mit offenen Türen.« Er entnahm seiner Brieftasche ein Bündel großer Franken-Noten und schob sie unter der Serviette Sabine zu: »Erinnerst du dich an die schicken Geschäfte, an denen wir gestern vorbeigefahren sind?« fragte er. »Kauf dir noch ein paar hübsche Kleinigkeiten für Rio.«
»Ich weiß zwar deine Großzügigkeit zu schätzen«, erwiderte Sabine, »aber langsam wird sie mir unheimlich. Und so bestechlich bin ich nun auch wieder nicht.«
»Unsinn«, entgegnete er. »Nur Habenichtse verachten das Geld. Du sollst dich rechtzeitig mit seinem Wert vertraut machen. Wenn ich von der Bank zurück bin, werde ich aus dir eine Dollarprinzessin machen.«
»Geld, Geld, immer wieder Geld«, versetzte Sabine zwischen Verlangen und Verachtung: »Der Ersatzhimmel unserer Zeit.«
»Aller Zeiten«, korrigierte sie Nareike. »Mammon hat alle anderen Götzen überlebt, und vor ihm verneigen sich Heiden und Atheisten, Kommunisten und Mohammedaner, Katholiken und Protestanten in wahrhaft
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