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Heißes Geld

Heißes Geld

Titel: Heißes Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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christlicher Inbrunst.« Er erhob sich lachend. »Bis gleich«, sagte er und warf sich das leere Bordcase um die Schulter, griff mit einer Hand nach dem Riemen, als müßte er jetzt die Beute schon sichern.
    Nareike merkte nicht, daß ihm einer der Amerikaner im knappen Abstand folgte. Er sah auch nicht den Mann mit der Sonnenbrille und dem Strohhut, der schon seit acht Uhr wie ein Aasgeier um das Portal von ›Hämmerli & Mezenthin‹ kreiste, dem sich der erwartete Besucher kurz vor 10 Uhr 45 näherte. Nareike trug einen hellen Sommeranzug, ein offenes Hemd, und auch eine Sonnenbrille. Sein Gesicht wirkte jetzt frischer als am frühen Morgen. Er gab sich gelassen, selbstsicher, ein Herr, der mehr Geld hat als Zeit, seinen Wohlstand zu nutzen. Das Gebäude war Repräsentant des Überflusses, und Nareike fand es nur richtig, daß es sich protzig und selbstbewusst zeigte. Er hielt nichts von dem modischen Schlagwort vom Spätkapitalismus. Seitdem die Welt rechnen konnte, war das zum Kapital gehäufte Geld der Treibstoff der Wirtschaft. Die Sowjets, die angeblich den schärfsten Kampf gegen den Kapitalismus führten, hatten als Staatskapitalismus seine schroffste Form geschaffen. Nicht zufällig hielten sie sich im Ausland eigene Banken, die das russische Gold versilberten, um mit dem Erlös Waffen für die Unruheherde der Dritten Welt zu finanzieren. Wer Geld verachtete, brachte sich – laut Nareike – automatisch in den Verdacht, dumm, arm oder radikal zu sein. Schließlich hatte selbst Stalin seine Laufbahn als Bankräuber begonnen und gingen sogar die Terroristen an die Kassenschalter, wenn auch mit der Maschinenpistole.
    Ein Livrierter riß die Glastüre des modernen Bankpalastes auf. Trotz seiner angespannten Situation fragte sich Nareike, ob nicht auch mit seinem Geld der Altbau hinter der Piazza Grande abgerissen und diese Fränkli-Zwingburg dafür erbaut worden sei. Er gönnte der Privatbank den Zuschuss. Sie hatte ihn sich durch Diskretion verdient. An die schweizerische Verschwiegenheit im Umgang mit dem Geld glaubte der frühere Kriegsverbrecher wie eine fromme Nonne an die Schweigsamkeit ihres Beichtvaters – aber er war nicht gekommen, um zu beichten, sondern um zu kassieren.
    Die Schalterhalle war groß, luxuriös, klimatisiert und nur mäßig belebt. Nareike überflog die Gesichter der Angestellten; keines hatte er je gesehen. Sechs Schalter, zwei waren frei, doch auch ohne Blickschutz. Ein Bankbeamter bedeutete ihm höflich, daß er ihm zur Verfügung stünde.
    Nareike sah sich um, achtete auf Verfolger, aber doch wohl nicht gründlich genug, denn er hielt sich für unbeschattet – dabei war Saumweber ihm und Feller Saumweber gefolgt, so daß sie sich alle drei im näheren Umkreis aufhielten.
    »Ich nehme an, daß Direktor Nußbach pensioniert ist?«
    »Seit langem schon, mein Herr«, antwortete der Mann am Schalter. »Sein Nachfolger ist Herr Dr. Stirnli.«
    »Und den möchte ich gerne sprechen.«
    »In welcher Angelegenheit?«
    »Ich unterhalte auf Ihrer Bank ein Nummernkonto«, erwiderte der Besucher ohne seinen Namen zu nennen. »Schon vor langer Zeit habe ich eine für meine Verhältnisse recht bedeutende Summe bei Ihnen angelegt.«
    »Einen Moment, mein Herr«, entgegnete der Schalterbeamte beflissen, verschwand im Inneren des Geldtempels und kam gleich wieder zurück: »Bitteschön«, sagte er. »Ich darf vorausgehen.«
    Nareike spürte, wie sich die Haut auf seinem Rücken spannte. Einen Moment lang hatte er ein taubes Gefühl in den Beinen, dann folgten sie ihm willig. Er sagte sich, daß er keine Angst zu haben brauchte. Er war nicht Linsenbusch, sondern Nareike, und er war nicht Nareike, sondern der rechtmäßige Inhaber des Nummernkontos Dreihundertdreißigdrei, das den Gewinn seiner brutalen Fürsorge bewahrt hatte.
    Der neue Filialdirektor war schlank, mittelgroß und zuvorkommend. Der knapp 40jährige taxierte den Besucher rasch und kundig: »Dr. Stirnli«, stellte er sich vor. »Bitte nehmen Sie Platz. Sie unterhalten ein Konto bei uns und …«
    »Ja – es war als eine Art Vorsorge für meinen Lebensabend gedacht, Herr Doktor«, erwiderte Nareike. »Und ich fühle mich jetzt alt genug …«
    »Sie möchten es auflösen?«
    Der Besucher nickte.
    »Ganz?«
    »Bis auf einen kleinen Rest«, entgegnete Nareike vorsichtig.
    »Bedauerlich für uns«, erwiderte der Bankmanager: »Aber ich habe Ihnen zu danken, daß Sie uns so lange Ihr Vertrauen …« Er schob dem Besucher einen

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