Heißes Geld
habe in unserem Archiv so ziemlich alles gefunden, was du wissen möchtest«, fuhr Rings ohne Pause fort. »Diese DEWAKO-Geschichte ist eine üble Sache, für uns freilich längst abgeschlossen. Deshalb hat es einige Zeit gedauert, bis ich fündig wurde. Die wichtigsten Akten haben wir auf Mikrofilm gespeichert.« Er griff nach der Flasche, goss den Bourbon ein, fingerbreit. »Ich habe dir Fotokopien zusammenstellen lassen. Du kannst sie behalten, wenn du mir garantierst, daß niemand erfährt, woher du sie hast.«
»Okay, Lionel«, erwiderte der Anwalt und wunderte sich, daß er schon so bald zu Wort gekommen war: Früher hatten sie Major Rings, den CIC-Chef im Raum Frankfurt, einen von General Donovans alten Haudegen, wegen seiner Fähigkeit, pausenlos Energien zu erzeugen, ›the generator‹ genannt. In dieser Zeit motivierte man als Chef seine Mitarbeiter noch nicht, sondern trieb sie an, und dieses Clark-Gable-Double hatte stets dafür gesorgt, daß das Feuer unter ihren Hintern nicht ausging. Feller lächelte, sah zum Fenster hinaus, stellte fest, daß man von hier aus das Weiße Haus sehen konnte. Wenn der CIA-Spitzenmann zu Mr. President gerufen wurde, brauchte er weniger als eine Minute, um bei ihm zu erscheinen.
»Cheers«, sagte Rings und hob das Glas, seine leicht gewaltsame Dynamik kam ins Stocken: »Bevor ich zur Sache komme, muß ich dir noch etwas sagen, mein Junge.« Einen Moment lang wich er den Augen des Besuchers aus. »Ich war bis vor sieben Monaten im Ausland gewesen, über eineinhalb Jahre ohne Unterbrechung. Erst nach meiner Rückkehr habe ich diese furchtbare Sache mit Jessica erfahren.« Rings schwieg, betrachtete Fellers Gesicht wie um zu prüfen, ob er weitersprechen könne: »Zu diesem Zeitpunkt warst du schon ein paar Monate Witwer.« Er senkte die Stimme. »Ich habe mich bewußt nicht bei dir gemeldet, weder telefonisch, noch brieflich. Aber glaube nicht, daß mir der Tod deiner Frau nicht unter die Haut gegangen wäre.« Er griff nach seinem Glas. »Ich weiß, was dir Jessica bedeutet hat. Ich weiß aber auch, daß ein Mann mit einem solchen Schicksalsschlag allein fertig werden muß, und daß alles, was man ihm sagen könnte, doch nur dummes Geschwätz wäre. Deshalb habe ich gar nicht erst versucht, die kaum vernarbte Wunde wieder aufzureißen. Verstehst du das, Henry?«
»Schon gut, Lionel«, erwiderte der Besucher, er versuchte die Erinnerung, die sich schwer an ihn hängte, zu verhehlen. »Eigentlich habe ich es mir auch genauso vorgestellt.«
»Gut«, erwiderte der General: »Dann wäre das erledigt.«
Er schwieg, auch Henry W. Feller sagte nichts. Sie legten wohl gleichzeitig eine Gedenkminute für eine junge Frau mit blassem Gesicht, rötlichen Haaren, auffallend blauen Augen und einer zärtlichen Stimme ein, die vor 16 Monaten mit 27 Jahren im Wochenbett gestorben war.
Der General griff nach der Bourbonflasche, sah, daß sein Gast den Kopf schüttelte und räumte sieweg. Er griff nach einem Päckchen Pfefferminz, kaute ein paar Dragees, schluckte mit angewiderter Grimasse den Brei hinunter und grinste. »Sicherheitshalber«, erläuterte er. »Unsere Number One schätzt es nicht, wenn man nach Whisky riecht, selbst nicht um fünf Uhr nachmittags.« Sie lachten beide. »Well«, sagte der General. »Dann laß uns mal in diese dreckige Niederung hinabsteigen.« Er lehnte sich zurück, sprach jetzt konzentriert, in seiner typischen Art, und das hieß: Kein Wort zu viel und jeder Satz ein Fact: »Also, DEWAKO, Paris, eine Scheinfirma der Deutschen Ausrüstungswerke GmbH, und diese wiederum ein Tochterunternehmen des Wirtschaftsverwaltungshauptamts, bekannter unter der Abkürzung WVHA, geleitet von dem früheren Marine-Oberzahlmeister und späteren SS-Obergruppenführer Oswald Pohl, den wir genauso gehängt haben, wie die Israeli heute morgen diesen Eichmann.« Er schweifte ab: »Ist soeben in den Nachrichten durchgegeben worden.«
Feller nickte.
»Eine Erpresserfirma«, fuhr Rings wieder fort: »So geführt, wie es in dem Brief des Mr. …« Er überlegte, aber Feller half ihm mit dem Namen nicht aus, weil er wußte, wie sehr der General Gedächtnislücken hasste, eigene wie fremde: »Greenstone?«
»Richtig«, versetzte der Anwalt.
»Mindestens 50, vielleicht auch mehr als 100 solcher Freikauffälle. Sie wurden über eine Schweizer Anwaltskanzlei in Genf abgewickelt. Ihr Chef war Maître Krautwald, ein ziemlich bekannter Mann, der nach dem Krieg von Genf nach Zürich
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