Heißes Geld
vornherein keine Gelegenheit zu einem Ausweichmanöver lassen. Anschließend genossen die beiden Freunde eine Stunde die Sonne im Garten; etwas abseits von den anderen Gästen unterhielten sie sich in einem idyllischen Rahmen über weniger schöne Möglichkeiten.
»Du mußt dir darüber im klaren sein, Henry«, erklärte der General, »diese DEWAKO-Sache ist nicht nur faul, sondern auch weitgehend ungeklärt. Was die amerikanischen Gerichte betrifft, ist der Ofen allerdings aus.«
»Sag mal«, fragte der Anwalt, »sind wir hier nicht in der Nähe von Mount Vernon?«
»Richtig«, antwortete Rings. »Sechs oder sieben Meilen. Wir sind bereits im Bundesstaat Virginia.«
»Lach mich nicht aus, aber ich habe noch nie unser Nationalheiligtum gesehen.«
Sie erreichten das Landhaus im Kolonialstil mit den unberührten Möbeln von damals. Sie reihten sich in den Strom der Touristen ein, standen Schlange am Grab George Washingtons, und wie es sich gehört, fuhren sie mit einem historischen Flußdampfer die 26 Kilometer auf dem Potomac-River in nördlicher Richtung in die amerikanische Bundeshauptstadt zurück. Die Fahrt in der Abendsonne, vorbei an den mit alten Weiden gesäumten Ufern war nicht nur romantisch – unterwegs brachte der Drei-Sterne-General ihm bei, an wen er sich in Europa wenden könnte, wenn er mit seiner Verfolgung nicht weiterkäme.
»Du mußt wohl zu einer Art Selbsthilfe greifen«, sagte der General. »Amtshilfe gibt es keine. Keine offizielle.« Er lächelte süffisant. »Im übrigen kannst du mich anrufen, wann immer du willst, Tag und Nacht. Und nun: Good luck, Henry.«
»Eine Message, für Sie, Mr. Feller«, sagte der Portier im ›Watergate‹, als er dem Gast den Schlüssel aushändigte, er übergab ihm ein Fernschreiben von Brown, Spencer & Roskoe. Er erhielt die Mitteilung, daß ihn Mr. Joe Littlesmith morgen um zwölf Uhr im ›Dearborn Inn and Motor House‹, 20.301 Oakwood, Detroit, Michigan, erwarte.
Es war die nächste Station einer Jagd rund um die halbe Welt. Der Anwalt wußte noch nicht, wo er Linsenbusch suchen sollte, aber er war entschlossen, ihn zu finden und zu stellen über Tausende von Meilen hinweg, und wenn es sein müßte mit Hilfe der Franzosen oder der Israeli, oder der Deutschen selbst.
Nareike behielt recht; genau zwei Wochen nach der Verhaftung Brills teilte die Staatsanwaltschaft Essen in einer mageren Notiz mit, daß der ›Angestellte einer Kettwiger Firma‹ unter dem dringenden Verdacht, Verbrechen gegen die Menschlichkeit in vielen Fällen begangen zu haben, verhaftet worden sei. Die Zeitungen brachten die Meldung wörtlich; die meisten Blätter verzichteten darauf, sie zu recherchieren oder zu kommentieren, denn ein großer Teil ihrer Leser war längst der Meinung, daß man diese alten Geschichten endlich auf sich beruhen lassen solle.
Bei der Belegschaft von Müller & Sohn war der ehemalige Personalchef längst kein Tagesgespräch mehr, und die Zängerin hatte einen neuen Chef erhalten. Viel höhere Wellen schlug zur Zeit das alljährliche Betriebssommerfest in der ›Waldschänke‹, einige Kilometer außerhalb Kettwigs. Da es im Vorjahr bei der Heimfahrt zu einigen Trunkenheitsunfällen gekommen war, hatte Nareike angeordnet, daß die Mitarbeiter der Firma in diesem Jahr in Charter-Bussen zum Ort der Festlichkeit gefahren würden. Einige fanden das durchaus angebracht; die meisten aber waren dagegen, weil es ihnen nicht genügte, ihren Wagen lediglich bei ihren Kaffee-Ausflügen am Wochenende zu nutzen und dabei noch auf dem ›Ruhr-Kriech-Weg‹ mit ihren Autos liegenzubleiben wie gestrandete Schiffe.
Der Firmengründer griff selbst ein. Er erschien, zusammen mit Kudritzky, dem Betriebsratsvorsitzenden: »Was nützt schon die Vernunft«, sagte der Senior zu seinem Spitzenmanager, »wenn die Leute unvernünftig sein wollen.«
»Hermann«, antwortete Nareike. »Wir sind schon genug ins Gerede gekommen mit diesem Brill.« Er betrachtete den Mann vom Betriebsrat. »Was meinen Sie, Kudritzky?«
»Privat könnte ich mich durchaus mit Ihrer Regelung anfreunden«, entgegnete er, »aber ich wurde von Kollegen gewählt, deren Mehrheit dagegen ist.«
»Aber Kartoffeln essen Sie?« versetzte Nareike, er merkte, daß seine Zuhörer damit nichts anzufangen wußten und erläuterte: »Die Erdäpfel haben bekanntlich die Korporale Friedrichs des Großen mit Stockhieben eingeführt.«
»Nun spiel mal nicht den Alten Fritz«, erwiderte Müller lachend.
»Mein
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