Heißes Geld
wusch sich die Hände und verließ das Hotel gleich wieder, um zu sondieren. Bis zum ›Regina‹ war es nicht weit. Sie konnte zu Fuß gehen. Sie wußte nicht, was sie wollte, aber wie unter Zwang betrat sie die Nobelburg, um den Trubel zu beobachten. Sie fand einen Eckplatz in der Halle, bestellte einen kleinen Cointreau und stellte fest, daß sich alle, außer ihr, bestens unterhielten. Herren in dunklen Anzügen küssten Damen in eleganten Roben die Hand. Juwelen signalisierten einander ihre Karate. Die Anwesenden wirkten gesellig und heiter, sie wußten wohl nicht, was Einsamkeit bedeutet, und dächten sicher auch nie an den Tod in Raten.
Hannelore wirkte wie verloren an der fashionablen Stätte, einem internationalen Treffpunkt, mit den alten Teppichen, den wertvollen Gobelins und schönen Stilmöbeln. Sie saß und wartete und grübelte vor sich hin, bis sie merkte, daß sie wieder begonnen hatte, Blondinen zu zählen. Sie wurde ärgerlich auf sich, sah flüchtig in den Spiegel und erschrak noch einmal über ihr geborgtes Blond.
Der nachlassende Föhn hatte Hannelores Wahnvorstellungen doch erheblich gemildert. Freude und Angst über die Begegnung mit Horst hielten sich jetzt wieder die Waage. Sie mußte nur so mutig sein, ihm gleich in der ersten Stunde ihren Gang zum Notar zu gestehen – und wenn der Zahn erst gezogen wäre, müßte der Schmerz enden, abrupt und endgültig.
Hannelore zahlte, ging, aß irgendwo in der Stadt und versuchte, sich in der City müde zu laufen. Sie kehrte ins ›Blaue Haus‹ zurück. Sie konnte nicht einschlafen, zählte die Minuten. Es kam ihr vor wie die letzte Nacht im Leben eines Delinquenten, der auf Schritte horcht und nicht weiß, ob der Henker kommt oder der Gnadenerweis.
Mitten in der Nacht stand Hannelore auf, um sich davon zu überzeugen, daß sie die Fotokopie ihres Testaments tatsächlich bei sich hatte. Sie legte ihre Tasche auf den Nachttisch, griffbereit wie eine Waffe.
Sie wußte, daß die Lebensversicherung, die sie sich notariell geschaffen hatte, nur wirksam wäre, wenn Horst sie kannte. Sie mußte ihm so rasch wie möglich ihre Verfügung mitteilen und dabei noch einen Weg finden, der seinen Jähzorn nicht zum Äußersten trieb. Es würde nichts nützen, wenn sie sich durch das Papier vor Mord schützte und womöglich doch erschlagen würde – für das Opfer machte es keinen Unterschied, ob es an Mord oder Totschlag stürbe.
Sie erwachte mit dem Gedanken, daß ihr Mann jetzt schon unterwegs wäre zu ihr. Sie schlug die Vorhänge zurück, ließ Sonne in das Zimmer. Im hellen Licht zerstob der Spuk der Nacht. Wenn Horst sie liebte, müßte er Verständnis für ihre Ängste und Trugschlüsse haben, und wenn er sie nicht lieben würde, interessierte sie ohnedies nichts mehr im Leben. Sie würde sicher alles anders machen, wenn sie noch einmal damit beginnen könnte – aber nun war es zu spät, noch etwas zu ändern. Sie war und blieb Hannelore Linsenbusch, geborene Dannemann, ob sie in ein paar Wochen Nareike hieße oder nicht.
Am Mittwoch Mittag übersiedelte Hannelore ins ›Regina‹, trotz der kurzen Entfernung nahm sie des Gepäcks wegen ein Taxi und versöhnte den Fahrer durch ein großzügiges Trinkgeld. Er trug ihre beiden Koffer zur Rezeption. Hannelore präsentierte ihre Reservierungsmitteilung. Der Mann mit den gekreuzten Schlüsseln am Kragenspiegel überschlug sich vor Höflichkeit: »Darf ich Sie im Namen der Direktion willkommen heißen, gnä' Frau«, sagte er. »Wir haben uns erlaubt, Apartment 111 für Sie zu reservieren.« Er schob dem Gast den Anmeldeblock mit einer Geste zu, die stumm ausdrückte, wie sehr er diese bürokratische Schikane bedauere.
Hannelore zögerte kurz, aber schließlich war es nicht ihre Idee gewesen, in diese Luxusherberge zu ziehen, in der man sie nicht kannte. Dann trug sie sich ein und unterschrieb.
Hannelore folgte dem Pagen zum Lift. Er sperrte das Apartment auf und Hannelore hatte sich zwar auf einigen Komfort gefaßt gemacht, aber nun wurde sie doch von der Pracht irritiert: Ein Schlafzimmer mit einem breiten, französischen Bett, geräumiges Bad mit ausladenden Spiegeln, Wohnraum mit zierlicher Polstergarnitur, Perserteppich und Brokatgardine und einer Bar in der Ecke mit eingebautem Kühlschrank und einem reichlichen Getränkesortiment. Hannelore wußte, daß Horst gut verdiente, und er war ein Leben lang großzügig gewesen, im Einnehmen wie im Ausgeben, aber vielleicht war doch auch etwas an seinem
Weitere Kostenlose Bücher